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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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bin aus dem Stamme Judah, ich glaube es wenigstens, aber genau weiß ich es nicht. Mein Vater war aus dem Stamme Judah, und wir wünschen sehnlichst, eine Synagoge zu bekommen. Ich werde der Priester dieser Synagoge sein.«
    Shushan ist eine große Stadt im Norden Indiens und ihre Einwohner zählen nach Zehntausenden; und in ihrer Mitte lebten nur diese acht des Auserwählten Volkes und warteten auf die Zeit und den günstigen Augenblick, wo sie als Religionsgemeinde anerkannt sein würden.
    Miriam, das Weib Ephraims, zwei kleine Kinder, ein Waisenknabe ihres Stammes, Ephraims Onkel Jackrael Israel, ein weißhaariger Greis, Hester, seine Frau, ein Jude aus Cutch: ein gewisser Hyem Benjamin, und Ephraim, Priester und Schächter zugleich, das war die ganze Liste der Juden, die in Shushan lebten. Sie wohnten sämtlich in einem Haus am äußersten Rande der Stadt inmitten Haufen alter zerbrochener, salpetrig gewordener Ziegel und Herden von Vieh, die beständig auf ihrem Zug zur Trinkstelle am Fluß Wolken undurchdringlichen Staubes aufwirbelten. Wenn abends die Jugend der Stadt auf den freien Platz geströmt kam, um Drachen steigen zu lassen, sahen die beiden kleinen Söhne Ephraims von weitem zu vom Dache ihres Hauses aus, aber niemals gingen sie hinunter, um daran teilzunehmen. Angebaut an die Rückwand des Hauses stand ein enger aus Ziegeln errichteter Stall, in dem Ephraim das Fleisch für die Familie zu koschern pflegte nach jüdischem Ritus. Eines Tages wurde die Tür dieses Abteils heftig von innen aufgerissen, als fände ein Kampf drin statt, und da wurde der anscheinend so schwache, milde Rechnungseintreiber sichtbar bei seiner Arbeit; die Nüstern weit aufgebläht und die Lippe über die Zähne emporgezogen, hielt er ein halbrasendes Schaf mit beiden Händen fest. Er war seltsam gekleidet - in Gewänder, die gar keine Ähnlichkeit hatten mit seinem gewöhnlichen wildgemusterten Rupfenanzug, und hielt ein Messer im Mund. Wie er so rang mit dem Tier, kam sein Atem in keuchenden Stößen aus seiner Brust; die Natur des Mannes schien vollkommen verändert. Als der Ritualakt des Schächtens vorbei war, bemerkte er erst, daß die Tür offenstand, und schloß sie hastig, wobei seine Hand eine blutige Spur auf der Klinke zurückließ; entsetzt und mit weitaufgerissenen Augen standen die Kinder auf den Dächern der Nachbarhäuser und starrten herab. Ephraim bei der Ausübung seiner religiösen Pflichten zu belauschen, bot einen wenig erfreulichen Anblick, nach dem man sich ein zweites Mal nicht sehnte.
    Der Sommer brach über Shushan herein, verwandelte den zertrampelten Erdboden in Eisen und brachte Epidemien in die Stadt.
    »Wir werden verschont bleiben«, sagte Ephraim zuversichtlich. »Ehe noch der Winter kommt, haben wir unsere Synagoge. Mein Bruder mit seinem Weib und den Kindern kommt von Kalkutta herauf, und dann werde ich Priester der Synagoge sein.«
    Jackrael Israel, der Greis, kroch aus seiner Höhle heraus an den erstickend heißen Abenden, setzte sich auf einen Schutthaufen und beobachtete, wie man die Leichen hinab zum Fluß trug.
    »An uns wird es vorübergehen«, sagte er dann mit seiner schwachen zitterigen Stimme, »denn wir sind das Volk Gottes, und mein Neffe wird Priester der Synagoge sein. Mögen die andern sterben.« Und kroch zurück ins Haus und verschloß die Tür vor der Welt der Heiden.
    Aber Miriam, Ephraims Weib, sah aus dem Fenster auf die Leichen in den Totenbahren hinab und sagte, sie fürchte sich; Ephraim beruhigte sie mit dem Hinweis auf die kommende Synagoge und kassierte Rechnungen ein, wie immer.
    Eines Nachts starben die beiden Kinder, und Ephraim begrub sie am frühen Morgen. »Die Sorge ist meine Sorge«, sagte er, und dieser Ausspruch schien ihm zu genügen, um die sanitären Maßnahmen der Regierung eines großen, blühenden, weise beherrschten Kaiserreichs für nichts achten zu dürfen.
    Der Waisenknabe, der ganz auf die Wohltaten Ephraims und seines Weibes angewiesen war, wußte wahrscheinlich nichts von Dankbarkeit und muß wohl ein Taugenichts gewesen sein, denn er bettelte sich von seinen Pflegeeltern so viel Geld heraus wie nur möglich und floh dann damit aus Angst um sein Leben in einen andern Distrikt. Eine Woche nach dem Tode der Kinder stand Miriam heimlich des Nachts aus dem Bett auf und wanderte über Land. Um die Kleinen zu finden? Hinter jedem Busch hörte sie sie weinen, sah sie ertrinken in jedem Weiher auf den Feldern, und schließlich flehte sie die

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