Dunkles
einen Moment...«
Peter Dick ging noch ein paar Schritte, um ungestört sprechen zu können.
»Frau Klaus, ich brauch dich mal.«
»Ja?«, flötete Klaus zurück. Klaus war der Teamassistent der vier Peters und liebte es, so genannt zu werden.
»Sag mal, du kannst mir da vielleicht helfen ...«
»Um was geht's denn, jetzt mach es doch nicht so spannend!«
Dick sah Frau Klaus förmlich vor sich, wie er beim Telefonieren gerade den Kopf zurückwarf und sich durchs Haar strich. Stünden sie sich jetzt gegenüber, hätten sie beide gelacht. Von dem Haufen stoben wieder die Fliegen auf. Es waren sicherlich an die hundert. Das grüne Schillern sah man nur, wenn sie dasaßen, kaum im Flug.
»Pass auf, liebe Frau Klaus ...«
»Och!«
Sie spielten ein Spiel. Spielten es oft und gern. Allen im Büro machte das Spaß.
»Ich bin grad bei Eitersdorf an der Autobahnauffahrt.«
Dass er sich irgendwo an der Autobahn befand, war sicher nicht zu überhören, so laut wie der Verkehr hier war.
»Ja?«
Das klang jetzt ein bisschen spitz und auch sehr aufmerksam, ja schon fast ein wenig wachsam.
»Da gibt es so einen Stummel, so einen Fortsatz ...«
»Uups.«
Wieder das Spiel, der Versuch zumindest. »Stummel« und »Fortsatz« waren Frau Klaus wohl zu doppeldeutig. Dick hatte sich nichts dabei gedacht.
»... der Straße ... ich weiß gar nicht, wie ich es nennen soll.«
»Ja?«
»Wenn man da runtergeht und an der Autobahn entlang, kommt man zu so einem Wäldchen ...«
»Ja?«
Das klang jetzt etwas verhalten, schon fast reserviert. Stach Peter Dick da gerade in etwas hinein? Mit dem Fuß kickte er einen Cola-Becher von McDonald's aus dem Weg. Der Trinkhalm steckte noch im Deckel.
»Sagt dir das was? Kennst du das? Kannst du mir hierzu was sagen?«
Schweigen am anderen Ende.
»Ich bin hier, weil hier das Auto gebrannt hat.«
Atmen am anderen Ende.
»Und ... hier stehen lauter so Männer rum ...«
Stärkere Atemgeräusche.
»Frau Klaus, bist du noch da?«
»Ja«, kam es leise, beinahe piepsig.
Es entstand eine längere Pause. Drüben noch immer der Trecker im Ackerstaub, oben am Himmel die Lerche.
»Weißt du, Peter, das ist... aber eigentlich will ich darüber nicht reden. Ich will dir das nicht sagen ...«
»Raus mit der Sprache. Auch Frauen müssen mal tapfer sein.«
»Also«, die Stimme wurde ganz leise. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass im Büro jemand mithörte. Aber was jetzt so leise daherkam, war gleichzeitig knallhart. Es übertönte den Lärm der Autobahn.
»Das ist ein geheimer Treff.«
»Für was? Wer trifft sich da?«
»Da gehen die Schwestern hin und lassen sich einen blasen. Oder runterholen. Oder blasen einen.«
Dick hatte es schon geahnt.
»Einfach so?«
»Einfach so. Wenn beide was wollen, ist das doch kein Problem.«
»Ähh...«
Für einen Moment war Dick etwas befangen.
»Siehst du, bei uns ist das halt so einfach. Sex, keine Liebe. Du willst, der will, man macht's. Wo ist das Problem?«
»Also die verabreden sich hier?«
»Nee, anders. Kannst es vielleicht so sagen: Der Ort ist die Verabredung. Wer hinkommt, will und macht auch und fertig.«
»Ohne sich zu kennen?«
»Es geht doch um den Schwanz, nicht um Gesicht oder Geist.«
»Ah ja ... ?«
Dick war tatsächlich verunsichert. Und fühlte Respekt. Neid. Irgendwie machen die das ganz gut, während unsereiner ganz verschämt und allein, von Hand, seinem Druck Herr zu werden versucht, wenn er niemanden hat. Respekt. Ist eigentlich eine gute Lösung. Mit Frauen aber niemals machbar. Ja, nicht einmal denkbar. Ich will, du willst, mach'mers. Und ein Ort, an dem sich nur die treffen, die wollen. Erzähle das einer Frau, und sie schneidet dir sofort die Eier ab.
»Peter?«, fragte es vorsichtig am anderen Ende.
»Ja.«
»Bist du jetzt geschockt?«
»Nein, neidisch«, gab er zurück.
»Ach, das ist Quatsch! Du verstehst überhaupt nichts.« Frau Klaus versuchte sofort zu trösten. »Das ist gar nicht so, wie du denkst. Das Ganze ist ziemlich schäbig. Man fühlt sich beschissen dabei. Ist blanke Not und Hilflosigkeit. Und dann musst du dich auch noch verstecken.«
»Danke, Frau Klaus.«
»Nein, glaub mir das, Peter. Das sind alles ganz arme Schweine. Und die meisten von denen müssen nachher zu Frau und Kind...«
»Verstehe.«
»Ich glaube nicht.«
Das kam resigniert. Wie schnell und stark bei Frau Klaus die Gefühle schwankten, und wie deutlich man das auch immer heraushörte.
»Auf jeden Fall: danke, Frau Klaus.
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