Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dunkles

Titel: Dunkles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
Vom Netzwerk:
Griechen, Italienern und Vietnamesen? Wenn's um die Küche ging, vielleicht ja! Hier darf man Ausnahmen machen. Muss man sogar! Denn ein Kloß vom Chinesen? Ein Schweinebraten vom Türken? Es gibt Dinge, die gehen einfach nicht. Fränkische Küche stellte er sich immer mit einer Oma in der Küche vor, die Kartoffeln schälte oder einfach nur in ihrer Kittelschürze dasaß und zuschaute, von der aber die Rezepte kamen – die sie wiederum von ihrer eigenen Oma hatte. Erst wenn mir mal ein fränkisches Wirtshaus sonntags Pekingente Chop Suey serviert oder Döner auf Kraut, vielleicht noch mit Sambal Oelek oder Chicken Sauce süß-scharf, dann werde ich meine Meinung ändern – und hoffentlich dann schon zu alt sein für eine Meinungsänderung. Denn im Alter geht das zunehmend schwerer. So ist der menschliche Kopf. Hält an dem fest, was er gelernt hat und lässt's nicht mehr los. Und ein Schweinebraten schmeckt einfach gut!
    Im Rückspiegel wurde das Blau langsam dunkler. Kommissar Behütuns fuhr eine S-Kurve leicht bergan, zwischen Wiesen und kleinen Weihern hindurch und sah vor sich nur Wald. Dann, da konnte man das Ende der schmalen Straße schon spüren, tauchten ein paar Häuser auf, das erste, gleich rechts, ein Wirtshaus und gegenüber, nur über die Straße, Bäume, eine Wiese, Tische. Die Wiese leicht geneigt zu einem Weiher hin und dahinter wieder Bäume, Wald. Hier waren die Straße und die Welt zu Ende. Und schön! Menschen saßen an den Tischen und tranken Bier.
    Hier führt mich der Weg hin!
    Behütuns betrat das Wirtshaus, natürlich gab es für Garten und Wiese keine Bedienung, und mit »Die Küch'n hat scho zu!« kam sofort ein Brett. Frontal und ansatzlos, mitten hinein ins Gesicht. Das war die Welt, die er liebte, hier war er daheim! Fränkischer Charme, der dir die Spucke nimmt. Bläst dich der Wirt erst mal an, ist es gut. Bist du als Gast nur lästig, ist die Welt in Ordnung. Wo gibt es denn sonst so etwas noch? Die machen doch überall nur noch die Beine breit für deine drei Euro fuffzich, oder? Behütuns fühlte sich sofort zu Hause.
    Natürlich machte ihm der Wirt noch ein Bier, er bekam auch noch Presssack mit Brot, weil kalt. Nur der Nichtfranke lässt sich durch solche Bemerkungen abschmettern, nimmt so ein Brett ernst. Der fühlt sich sogar brüskiert, vielleicht auch richtig beleidigt, und kommt danach nie mehr her – und der Wirt hat sein Ziel erreicht. Trenne den Weizen von der Spreu. Der Weizen ist gut, der Rest für den Wind. Trage er ihn weit hinfort!
    Behütuns saß und aß. Nein: genoss! Der rote Presssack, das Brot aus dem Ofen, der unter einer Kastanie gegenüber dem Wirtshaus stand und auch wirklich benutzt wurde, wie die Rauchspuren zeigten – außerdem schmeckte man das –, das Bier. Schwalben durchkurvten den Himmel, Enten knäckerten am Weiher und ruderten in der Grütze, erste Fledermäuse kamen. Nur die Mücken störten. Und sein Telefon. Es klingelte. Vom Nebentisch vorwurfsvolle Blicke. Gut so, so musste es sein! Er verstand das genervte Geschau.
    Jaczek.
    Mit einer neuen Theorie: Kollitz könnte es gewesen sein. So: Habe den Wagen vielleicht einmal ausprobieren wollen, ausfahren im Gelände, wenn er ihn schon einmal hatte, fahre ja sonst Limousinen. Sei vielleicht herumgeheizt nachts und über den Feldweg, kenne sich ja wahrscheinlich gut aus in der Umgebung, wenn er dort seine Projekte plant. Habe dabei die Kleine erwischt, ein Unfall. Sei dann noch einmal zurück zur Pension wegen Klamotten, vielleicht auch seine Laufklamotten holen. Habe dabei das Mädchen in den Acker getragen, dann das Rad entsorgt, dann das Auto und sei zurückgejoggt. Ist doch für ihn kein Problem als Marathonläufer. Und es sei doch verdächtig, dass er keine Kleidung zum Wechseln mehr habe, oder nicht? Die habe er sicher entsorgt, sie musste ja voller Blut sein. Die müssten sie jetzt nur noch finden.
    Untypisch für Jaczek eigentlich, dachte sich Kommissar Behütuns. So eine Theorie. Er muss wirklich durcheinander sein mit seinem Umzug und seiner beginnenden Vaterschaft. Der Aussicht auf richtig Familie. Denn das war wirklich reine Theorie, es gab kaum Fakten, die dafür sprachen. Und nur ein windiges Motiv. Das war nicht Jaczeks Art.
    Leichter Nebel lag unten über dem Weiher, nur der Hauch einer weißen Schicht. Der Himmel im Osten nun dunkelst blau, der Wald darunter schon schwarz, alle Farben gewichen. Aber am Himmel Sterne. Der Wirt kam heraus, lehnte die Stühle an die Tische.

Weitere Kostenlose Bücher