Durch den Sommerregen
will, habe ich mich von Stefanie breitschlagen lassen, das Wochenende mit ein paar Cocktails einzuläuten. In der angenehm warmen Abendluft sitzen wir auf dem Alten Markt und genießen unseren Long Island Ice Tea. Meine Gedanken sind nicht bei Stefanies Erzählungen über ihren letzten Italienurlaub, und das bemerkt sie jetzt auch.
„Wo bist du, Lena?“
Bei Gabriel. Doch ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als das zuzugeben. Im Laufe der letzten Woche hat er mich keines Blickes gewürdigt. Also tatsächlich nur eine dämliche Wette unter Kerlen.
Ich fand die drei immer sehr sympathisch, aber vielleicht hatte ich mich da getäuscht. Es ist eigentlich unwichtig, weil ich sowieso kein Interesse an Beziehungsdramen irgendeiner Art habe. Dennoch …
„Entschuldige, Steffi. Ich schlafe mal wieder grauenhaft in letzter Zeit.“
„Immer noch?“
Steffi weiß, dass ich seit zwei Jahren Schlafprobleme habe. Wir arbeiten schon seit fünf Jahren zusammen, da kann man es kaum verleugnen, wenn man regelmäßig mit dicken Rändern unter den Augen zur Arbeit erscheint und erst einmal den Kaffeepott in der Teeküche leert.
Den Grund hat sie nie angesprochen, aber sie wird es sich denken können. Schließlich hat sie das ganze Drama damals mitbekommen.
„Es tut mir leid. Ich bin so müde. Sei mir nicht böse, wenn ich nur den Cocktail austrinke und dann ein Taxi nehme. Ich will einfach ins Bett.“
„Das ist okay, Süße. Wir können uns ein Taxi teilen. Für mich wird es auch Zeit.“
Eine halbe Stunde später lässt mich der Taxifahrer vor meiner Haustür raus, ehe er meine Kollegin nach Hause bringt. Schnell umfängt mich die Dunkelheit der schlecht beleuchteten Straße, während ich in meiner übervollen Handtasche nach dem Türschlüssel krame.
„Du solltest hier nicht alleine im Dunkeln herumstolzieren, Lena. Jemand könnte auf dumme Ideen kommen.“
Gabriel.
Seine tiefe, leicht verrauchte Stimme ist für mich schon unverkennbar geworden. Auch seinen französischen Akzent kann er nicht verleugnen, wobei er davon nichts hören will. Er ist scheinbar völlig arglos darüber, wie sexy Frauen das finden.
Nur wenige Meter von mir entfernt steht er auf der anderen Straßenseite an seinen glänzend schwarzen VW Bulli gelehnt.
„Warum bist du noch hier, Gabriel? Ich dachte, der Shop ist längst geschlossen.“
„Warum hast du mich nicht angerufen, Helena?“
Hat er etwa auf mich gewartet?
„Keine Ahnung. Warum sollte ich? Wer weiß, welche Wette ihr auf meinen Rückruf laufen habt.“
„Wette?“ Er sieht ehrlich verwirrt aus.
„Na, ob sich die biedere, naive Lena dir sofort atemlos an den Hals schmeißt, sobald du mit deiner Telefonnummer wedelst.“
Gabriel stößt sich vom Auto ab und kommt mit großen Schritten auf mich zu. Nur wenige Zentimeter vor mir bleibt er stehen.
„Was redest du da?“, fragt er wütend.
„Du hast selbst gesagt, dass Markus und Sam …“
„Nichts habe ich gesagt. Das war nur, weil die beiden mich geärgert haben. Glaub es oder nicht, aber ich habe mich wirklich nicht getraut. Da ich mich ja ohnehin schon zum Idioten gemacht habe, kann ich es gerne noch mal wiederholen. Das war ernst gemeint, Lena. Ich würde gerne Zeit mit dir verbringen. Wenn du nicht möchtest, dann ist das natürlich in Ordnung.“
„Warum?“, ist alles, was mir darauf einfällt.
Noch ist er einen Schritt entfernt, doch schon nah genug, um mich sehr nervös zu machen.
Er riecht gut.
„Weil ich dich mag.“
So gerne ich auch darauf eingehen würde, es wäre für niemanden gut. Auch wenn ich nicht immer glücklich damit bin, als Single bin ich besser bedient. Ich und alle Beteiligten.
„Magst du nur mich nicht oder bist du grundsätzlich nicht an Männern interessiert?“, kommentiert er mein Schweigen.
„Wie kommst du darauf, dass ich lesbisch sein könnte?“
„Weil ich dich seit einem halben Jahr beobachte und dich nicht einmal in Begleitung eines Mannes gesehen habe.“
Dieses Gespräch nimmt unwirkliche Züge an.
„Dir ist schon bewusst, wie gruselig das klingt? Ich meine, dass du mich beobachtest.“
Gabriel lacht. „So verlockend der Gedanke auch ist, ich habe nicht vor, mit einem Fernglas in dein Schlafzimmer zu spannen oder deine Post zu durchsuchen. Ich will nur einen verfluchten Kaffee mit dir trinken. Aber es ist offensichtlich, dass du nicht interessiert bist. Das merke sogar ich. Also, gute Nacht.“
Mit hängenden Schultern wendet er sich von mir ab und geht zu
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