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Durcheinandertal

Durcheinandertal

Titel: Durcheinandertal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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eben mit dem einen in der Milch –«
    Der Gemeindepräsident ging ins Haus und holte die Smith & Wesson. »Die hat Mani mitgebracht«, sagte er, und dann fuhr er Elsi an: »Halt’s Maul, es ist ein Wilderer gewesen.«
    »Ein Nachtwächter«, sagte Lustenwyler, »man hat mir vom Kurhaus telefoniert«, und fragte: »Was ist denn zum Teufel auch in der verschütteten Milch passiert? Die Polizei muß alles wissen.«
    »Was eben in einer Milchpfütze passiert, das kann sich doch sogar die Polizei ausdenken«, antwortete Elsi.
    Lustenwyler dachte nach. »Du meinst?« fragte er dann.
    »Frag nicht so blöd«, antwortete Elsi.
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    »Zwei sind dabeigewesen?« fragte Lustenwyler.
    »Zwei«, sagte Elsi und ging ins Haus.
    »Zwei«, wiederholte der Polizist und schüttelte den Kopf.
    »Elsi spinnt«, sagte der Gemeindepräsident.
    »Kurios«, meinte Lustenwyler und fuhr mit dem Gemeindepräsidenten zum Kurhaus.
    Das Hauptportal war geschlossen, auch der Lieferanteneingang, wo sie nur den leeren Milchkessel und Reste der Milchpfütze fanden. Sie riefen. Niemand kam.
    »Kurios«, sagte der Polizist wieder, worauf die beiden zum Polizeiposten fuhren. Lustenwylers Polizeistation hatte sich in den mehr als zwanzig Jahren seiner Polizeitätigkeit in eine Küche verwandelt, die Wände dicht mit Würsten und Schinken behängt, überall schmurzelte, kochte, grillte, dampfte etwas, war etwas eingelegt, lag Gehacktes herum, Zwiebeln, Knoblauch, Grünzeug, dazu offene Thon-, Sardinen- und Sardellenbüchsen, harte Eier, Salatköpfe, Polizeiberichte dazwischen, Verbrecherfotos, Handschellen, ein Revolver.
    »Ich habe mir eine Fleischsuppe gemacht mit Sellerie, Zwiebeln, Lauch und Kabis«, sagte Lustenwyler und schöpfte sich aus einem dampfenden Topf auf dem Herd einen Teller voll, brachte ihn zum Schreibtisch und begann zu essen.
    Dazwischen tippte er das Protokoll, holte einen zweiten Teller, dann einen dritten, nahm das Protokoll, las es, wischte Suppenreste vom Protokoll und sagte dem
    Gemeindepräsidenten, jetzt könne er seine Aussage unterschreiben. Dann schnitt er sich ein Stück Speck von der Wand, als, geschniegelt und parfümiert, Oskar von Kücksen das Polizeigebäude betrat.
    »Der Hund muß abgetan werden«, verlangte er kategorisch.
    »Wer sind Sie denn?« fragte Lustenwyler und kaute Speck.
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    »Der Vertreter des Kurhausmieters«, sagte Oskar.
    »Des Selig-sind-die-Armen-Predigers?« fragte Lustenwyler und kaute.
    »Der hat es für die Sommersaison gemietet«, antwortete Oskar. »Für die Wintersaison ist mein Vater, Reichsgraf von Kücksen, der Mieter.«
    »Kurios«, meinte Lustenwyler und kaute. »Ein Liechtensteiner.«
    »Der Hund muß abgetan werden«, verlangte Oskar von neuem.
    »Mani ist unschuldig«, sagte Pretánder. »Ich bin der Gemeindepräsident. Der Hund gehört mir.«
    »Der hat meinem Nachtwächter den Hintern zerfleischt«, sagte Oskar.
    »Weil meine Elsi vergewaltigt worden ist«, entgegnete der Gemeindepräsident prompt. Es fuhr ihm heraus, ohne daß er eigentlich daran glaubte.
    »Kurios«, meinte Lustenwyler zum dritten Mal.
    »Der Hund ist mit einem Revolver heimgekommen«, sagte der Gemeindepräsident. »Mit einer Smith & Wesson.«
    »Wem ein Hund den Hintern zerfleischt, zieht nicht einen Revolver und vergewaltigt eine Göre«, meinte Oskar, während Lustenwyler Butter auf eine Scheibe Brot strich und den Speck darauflegte. »Wenn das Mädchen behauptet«, fuhr Oskar fort,
    »der Hund habe in einen anderen Hintern gebissen als in jenen des Nachtwächters, so kann ich nur sagen, ein zweiter derart zugerichteter Hintern müßte dann zu finden sein, aber er ist nicht zu finden.«
    »Wenn es ein Wilderer gewesen ist«, brauste der Gemeindepräsident auf, »ist der Arsch eben verschwunden, Mani ist unschuldig, etwas stimmt mit dem Kurhaus nicht, wenn dort nur der Nachtwächter wohnt, warum verbraucht der jede Woche zwei Kessel Milch, soviel kann doch ein Mensch 50
    allein nicht saufen.«
    »Mit so einem Stürmi, wie Sie einer sind, diskutiere ich nicht weiter«, sagte Oskar. »Schwere Körperverletzung, wir werden Anzeige erstatten«, und ging hinaus, setzte sich in den Cadillac und fuhr zum Kurhaus zurück.
    »Behauptest du immer noch, Elsi sei vergewaltigt worden?«
    fragte Lustenwyler kauend.
    »Es geht mir nur um den Hund«, sagte der Gemeindepräsident, »der ist unschuldig.«
    »Das kann der Hund nur sein, wenn Elsi vergewaltigt worden ist«, erklärte Lustenwyler. »Dann ist es Unzucht, und das

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