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Durcheinandertal

Durcheinandertal

Titel: Durcheinandertal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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runter!«
    Wanzenried ließ die Hose runter.
    Der Reichsgraf befahl: »Bücken!«
    Wanzenried bückte sich. Wanzenried ging ein Licht auf. Er ahnte, daß er bald zum zweiten Mal operiert würde, nur nicht dort, wo er schon operiert worden war. Er ahnte richtig. Der Dobermann biß zu. Der Reichsgraf ging zum Telefon, rief den Polizeiposten an, der Hund des Gemeindepräsidenten habe den Nachtwächter gebissen. Der Mann sei arg verstümmelt. Der Polizist wußte von nichts, was von Kücksen verwunderte, es war vielleicht unnötig gewesen, Berta, wie der Dobermann hieß, zubeißen zu lassen. Er empfahl den Herrschaften, wie er sich ausdrückte, sich im Keller einzuschließen, bestieg mit dem Dobermann den Aston Martin und kehrte nach Liechtenstein zurück. Oskar fuhr Wanzenried ins Kantonsspital und Edgar, totenbleich, Marihuana-Joe mit dem zweiten Cadillac nach Ascona. Die Herrschaften gehorchten.
    Unterdessen war das Mädchen längst zu Hause angelangt. In der Scheune hatte der Gemeindepräsident Pretánder Holz gespalten. Er war ein dumpfer, muffiger, aber hartnäckiger Mensch, mit einem riesigen blonden Schnauz im kugelrunden Gesicht, mit stacheligen Kopfhaaren wie ein Stoppelfeld. Er wäre eigentlich ein fröhlicher Mensch gewesen, wenn er einen Sohn gehabt hätte. Aber er hatte keinen Sohn, und seine Frau war gestorben, und weil er nur Elsi hatte, war er dumpf und muffig gegen Elsi, weil sie ein Mädchen war, so daß er nach dem Hund gefragt hatte, nach Mani, ohne sich besonders um Elsis Ausrede zu kümmern, sie wisse nicht, wo der sei. Er hatte gedacht, der Hund würde schon kommen, und als dieser mit dem ihm nachscheppernden umgestürzten Wagen, die Smith & Wesson in der Schnauze, angerannt gekommen war, hatte er 46
    nur gemeint, Gott sei Dank, Mani sei nichts passiert, offenbar habe er einen Wilderer aufgespürt, ein guter Hund, ein guter Hund, und hatte nicht einmal bemerkt, daß Mani ohne Kessel heimgekommen war.
    Gegen zwei Uhr nachmittags fuhr der Polizist Lustenwyler mit seinem Jeep ins Dorf. Er war nur auf Vermittlung seines Vaters, des Regierungsrats Lustenwyler, Polizist geworden, er war 15 cm zu klein. Aber er hatte sein Leben lang nichts anderes getan als gefressen und den Wunsch geäußert, Polizist oder Bahnwärter zu werden, um weiter nichts tun zu müssen, als zu fressen, aber da die Bahn strikte ablehnte, blieb nur die Polizei übrig, und so wurde er schließlich in die Polizeistation im Durcheinandertal abgeschoben, die sich zwölf Kilometer vom Dorf entfernt befand. Lustenwyler hielt den Jeep vor dem Hause des Gemeindepräsidenten an, stieg aber nicht aus, hupte.
    Manis riesiger Kopf wurde in der Hundehütte sichtbar, verschwand wieder. Die Haustür öffnete sich, der Gemeindepräsident kam heraus. »Sälü«, grüßte der Polizist.
    »Was ist?« fragte der Gemeindepräsident. Wieder war Manis riesiger Kopf sichtbar.
    »Nichts«, sagte der Polizist.
    »Dann nichts«, meinte der Gemeindepräsident und ging wieder hinein. Aus der Hundehütte kam Mani, reckte sich, trottete zum Jeep. Lustenwyler hatte plötzlich Angst, blieb unbeweglich am Steuer. Der Hund schnupperte am Jeep, kehrte um und trottete in die Hundehütte. Lustenwyler hupte.
    Zweimal, dreimal. Der Gemeindepräsident kam wieder heraus.
    »Was ist jetzt?« fragte er.
    »Muß mit dir reden«, sagte der Polizist.
    »Dann komm«, sagte der Gemeindepräsident und wollte wieder ins Haus.
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    »Kann nicht«, sagte der Polizist, »der Hund –«
    »Was ist mit Mani?« fragte der Gemeindepräsident. Der Hund kam wieder aus der Hundehütte.
    »Er beißt«, sagte Lustenwyler und beobachtete ängstlich den Hund, der näherkam.
    »Unsinn«, sagte der Gemeindepräsident. Der Hund wedelte mit dem Schwanz, sprang plötzlich in den Jeep und leckte Lustenwyler das Gesicht ab.
    »Mani, in die Hütte!« befahl der Gemeindepräsident ruhig.
    Der Hund trottete in die Hundehütte.
    »Siehst du«, sagte der Gemeindepräsident, »wie lieb er ist.«
    Lustenwyler blieb bei seiner Behauptung: »Er hat den Nachtwächter vom Kurhaus gebissen.«
    Elsi kam heraus. »Gar nicht wahr«, sagte sie, »gar nicht wahr, zwei haben mich überfallen, und einer hat mich – in der Milch – Lustenwyler sieht ja, wie ich aussehe, ganz verzaust und zerkratzt, nur mein Vater sieht nichts, und der Hund hat den andern gebissen.«
    »Meitschi«, herrschte der Gemeindepräsident Elsi an, »was ist dort drüben losgewesen?«
    »Der Kessel ist umgefallen«, sagte Elsi, »und dann bin ich

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