Durcheinandertal
muß ich anzeigen, irgendwo habe ich doch noch eine Büchse Bohnen.«
»Schön«, sagte der Gemeindepräsident, »zeig an.«
»Den Nachtwächter?« fragte Lustenwyler und suchte im Hintergrund in einem Stapel von Büchsen herum, von denen mehrere auf den Boden rollten.
»Nicht den Nachtwächter, den Wilderer«, wandte der Gemeindepräsident ein, »aber Mani ist unschuldig.«
»Schön, wie du willst«, meinte Lustenwyler, »aber ich muß auch schreiben, was der andere gesagt hat, der Vertreter des Kurhausmieters. Ich bin allein, dazu brauche ich Tage, das geht lang, bis du Bescheid bekommst.«
»Schreibst du auch, Mani habe den Wilderer gebissen?«
fragte der Gemeindepräsident.
»Den Wilderer und den Nachtwächter«, meinte Lustenwyler und öffnete die Büchse mit Bohnen. »Aber wir haben nur ein verbissenes Füdle und sollten zwei haben. Verflixt kompliziert zum Schreiben.«
»Und wenn du nichts schreibst?« fragte der Gemeindepräsident.
»Dann geht das Füdle vom Nachtwächter und der Hund vom Gemeindepräsidenten in Ordnung«, sagte Lustenwyler und 51
schüttete die Bohnen in den Kessel mit der Fleischsuppe.
»Dann schreib nichts«, sagte der Gemeindepräsident und ging nach Hause.
Doch rechnete er nicht mit den Überlegungen des Reichsgrafen von Kücksen, der nicht mit dem Charakter des Gemeindepräsidenten rechnete. Für den Reichsgrafen war der Vorfall der dümmstmögliche. Er war überzeugt, daß entweder der ›Kaminfeger‹ oder der Kunde von Raphael, Raphael und Raphael oder beide zusammen, wenn sie nicht gar identisch waren, ihm eine Falle gestellt hatten, um so mehr, als ihm in der Minervastraße 33a drei völlig andere Herren als Raphael, Raphael und Raphael gegenübersaßen, alle drei dick, nur unterschieden durch ein Doppel-, Tripel- und Quadrupelkinn.
Das Doppelkinn meinte, er hätte sie sofort informieren sollen, das Tripel-, er hätte das Ganze vermasselt mit seiner Schnapsidee, auch noch seinen Köter zubeißen zu lassen, und das Quadrupelkinn befahl, von Kücksen habe das Unglück selber wiedergutzumachen. Auch war es dem Reichsgrafen vorgekommen, das Haus Minervastraße 33a sei irgendwie anders als vorher, womöglich noch baufälliger, er war zur Straße zurückgegangen, bevor er es betreten hatte, aber die Nummer stimmte. Das Syndikat hatte einen Fehler gemacht, nicht er, daß Raphael, Raphael und Raphael diesen Fehler nun auf ihn zu wälzen versuchten, typisch für diese Bruchbude, die sechzig Prozent von seinen verkauften echten Bildern kassierte.
Daß sie jetzt mit ihm nur über Stellvertreter verhandelten, eine Frechheit. Aber er stand nun einmal vor dem Schlamassel.
Unzucht mit einer Minderjährigen kam automatisch vor Gericht. Zwar hatte der Dobermann das Ärgste verhütet, es war keine Schnapsidee gewesen, sondern Geistesgegenwart. Er mußte der Anzeige des Gemeindepräsidenten zuvorkommen.
52
Er reichte in der Kantonshauptstadt eine Schadenersatzklage ein.
An einem Dezembermorgen stapfte Lustenwyler verlegen durch den Schnee, der endlich gefallen war, zum Gemeindepräsidenten und erklärte, auf Mani zeigend, der sich ihm wedelnd durch den Schnee entgegengepflügt hatte, der Hund müsse erschossen werden, es gehe nicht an, ein so gefährliches Tier herumlaufen zu lassen, er habe von der Kantonshauptstadt Bescheid bekommen. Ob Lustenwyler verrückt geworden sei, verwunderte sich der Gemeindepräsident, er habe die Sache mit Elsi nur nicht angezeigt, damit Mani nicht angezeigt werde. Er habe den Hund ja gar nicht angezeigt, erwiderte der Polizist, das habe von Kücksen getan, Gesetz sei Gesetz. Mani müsse erschossen werden, er fürchte sich ja selber vor ihm, so groß sei er. Der Gemeindepräsident sagte ruhig – und seine Ruhe wirkte um so gefährlicher, als er die Jagdflinte holte –, Lustenwyler solle sich davonmachen, sonst schieße er. Aber nicht auf den Hund. Er wolle das nicht gehört haben, sagte der Polizist und stapfte durch den Schnee zu seinem Jeep zurück, fuhr davon. Elsi, rief der Gemeindepräsident, aber sie war nicht zu finden. Das verflixte Meitschi, dachte er, wenn er nur wüßte, was damals passiert war. Doch Elsi blieb verschwunden. Das Mädchen war durch den Schnee zur Schlucht hinuntergewatet, hatte sich hinter einer Schnee-wehe versteckt, als der Polizist mit dem Jeep heraufkam.
Drunten in der Schlucht war die Kantonsstraße aper, aber die Straße zum leeren Kurhaus hinauf tief verschneit, niemand brauchte mehr Milch, der Nachtwächter lag noch
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