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Durcheinandertal

Durcheinandertal

Titel: Durcheinandertal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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fest, und klüger als sein Herr. Gerade im Griff habe er seine Tochter nicht.
    Der Gemeindepräsident schaute zu, wie die Italienerin das Fußbad hinaustrug und der Altbundesrat seine Füße mit einem Handtuch abzutrocknen begann.
    »Elsi hat es gar nicht ungern gehabt, das habe ich gleich gespürt«, sagte er. »Elsi ist mannstoll wie ihre Mutter, bei der habe ich donnerswie aufpassen müssen, und einmal ist jemand in Elsis Kammer gestiegen, wer, ist mir gleich, ich denke, es ist 89
    Noldi von der Sägerei, nur wenn der heiraten will, bin ich dagegen, kommt einmal ein Kind, muß es ein Pretánder sein, ich bin der letzte Pretánder, und wenn es nicht ein Bub ist, erlebt der liebe Gott sein blaues Wunder, ich werde dann Atheist.«
    Der Altbundesrat lachte, so weit sei es mit Elsi wohl noch nicht, aber mit seiner Einstellung habe er sich jede Chance für einen Prozeß verkachelt, es sei sinnlos gewesen, darauf von Pontius zu Pilatus zu rennen, da habe der Hund recht gehabt, aber ihn nehme schon wunder, warum ein leeres Kurhaus so viel Milch gebraucht habe und ob es denn nicht möglich sei, daß der Nachtwächter, der doch eine ganz dubiose Figur sei, von einem anderen Hund als von Mani gebissen worden sei.
    »Das muß ja so sein«, sagte der Gemeindepräsident, »das habe ich immer gedacht, besonders weil ja der Reichsgraf einen berühmten Dobermannzwinger besitzt im Liechtensteinischen.«
    »Verflixt«, sagte der Altbundesrat, »habt Ihr das dem Regierungspräsidenten erzählt, Gemeindepräsident?«
    »Es ist mir erst jetzt eingefallen«, meinte der Gemeindepräsident.
    Der Altbundesrat schüttelte den Kopf und fragte, ob das Kurhaus diesen Winter leerstehe, und zog sich die Socken an.
    »So wenig wie letzten Winter«, sagte der Gemeindepräsident.
    »Jemand ist drin, und nicht nur einer, durch die Ritzen in den Fensterläden scheint überall Licht, und manchmal hört man reden.«
    »So, Gemeindepräsident, jetzt trinken wir zusammen einen Roten«, sagte der Altbundesrat, »und dabei erzählt Ihr mir noch einmal haargenau, was alles passiert ist. Aber nichts vergessen wie das erste Mal.«
    Der Altbundesrat klopfte auf sein rechtes Knie, und der schwarze Kater sprang auf seinen Schoß. Die Italienerin 90
    brachte Roten. Der Gemeindepräsident erzählte alles noch einmal, der Altbundesrat hörte zu, und sie tranken zusammen eine Flasche. Dann sagte der Altbundesrat, der Gemeindepräsident könne nun gehen, er habe ihm im ›Hirschen‹ ein Zimmer bestellt, es tue ihm leid, daß er ihm nicht helfen könne, er sei nur ein Mensch und bald hundert.
    »Macht nichts«, sagte der Gemeindepräsident. »Adieu dann.
    Es hat wohl getan, mit jemandem über meinen Hund reden zu können.«
    Wieder allein, schlurfte der Altbundesrat zu seinem Schreibtisch und schrieb dem Gesamtregierungsrat des Kantons, ihr Regierungsratspräsident habe den Fall Pretánder derart voreingenommen untersucht, respektive nicht untersucht, daß er sich nicht genug wundern könne. Es sei nicht geklärt worden, welcher Hund gebissen habe. Der Schadenersatzkläger respektive Nicht-mehr-Schadenersatzkläger besitze einen Zwinger bissiger Hunde, und es sei auszuschließen, daß der gebissene Nachtwächter allein die Milchmenge habe bewältigen können, die ihm geliefert worden sei. Unter diesen Umständen das Kurhaus nicht besichtigt zu haben sei Schlamperei. Jetzt sei wieder Winter, er rate dem Regierungspräsidenten, das Kurhaus zu besichtigen und sich zu vergewissern, ob es leerstehe. Die anderen Regierungsräte seien als Zeugen mitzunehmen, denn der Regierungspräsident sei doppelt voreingenommen, der sei Oberst und sei mit seinem Regiment ins Durcheinandertal gerückt, um einen Hund abzuschießen, die größte militärische Kalberei, die je verübt worden sei, der Regierungspräsident gehöre vor ein Militärgericht. Im übrigen löse er als Präsident im Namen des Vorstands die Swiss Society for Morality auf und überweise die Akten der Staatsanwaltschaft des betreffenden Kantons.
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    Darauf setzte er sich wieder in seinen Lehnstuhl, der Kater sprang auf seinen Schoß und der Altbundesrat schlief ein.
    Die Regierungsräte und der Untersuchungsrichter fuhren ins Durcheinandertal, die meisten zum ersten Mal. Von Kücksen hatte vom Staatsschreiber vom Besuch heimlich erfahren und sich nach Liechtenstein verdrückt, während die Delegation glaubte, er wisse von nichts. Sie wollte das Kurhaus überraschen. Zwar vermochte Wanzenried die mehr oder weniger

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