Durst: Thriller (German Edition)
Geräusch von brechenden Zweigen geweckt. Ich hatte geträumt, daran erinnere ich mich noch, und brauchte eine Weile, um zu begreifen, was los war. Zwischen den Bäumen war jemand. Irgendetwas oder irgendjemand huschte durch den Wald, nur vom Schein einer Flamme beleuchtet. Ich schaute genauer hin und sah eine Prozession von Frauen und Kindern. Sie gingen im Gänsemarsch und leuchteten sich mit kleinen Petroleumlampen den Weg. Niemand sagte etwas. Zu jeder Frau gehörten mindestens zwei, drei Kinder. Jeder trug einen Zinneimer, die Frauen auf dem Kopf und die Kinder in beiden Händen, was sie einige Mühe kostete. Sie waren halbnackt. Die Frauen hatten nur ihre Hüften bedeckt und liefen barfuß. Nach wenigen Sekunden war die Prozession verschwunden. «
» Wer war das? « , fragte Agata. Der Drache hob die Hand, damit sie ihn nicht drängte, sondern zuhörte.
» Ich stand auf und folgte ihnen, aber nach ein paar Schritten blieb ich stehen. Es war stockfinster, und ich hatte Angst. Man hörte schließlich immer diese Geschichten von Kindern, die von den Indianerstämmen geraubt wurden. Wie gelähmt war ich vor Angst. Nach ungefähr zwanzig Minuten kamen die flackernden Lichter wieder in meine Richtung, also versteckte ich mich hinter einem Felsen und rührte mich nicht, bis wieder Ruhe einkehrte. Als ich aufstehen wollte, schwebte plötzlich direkt vor meinen Augen eine Lampe. Sie stank nach Petroleum. Instinktiv schaute ich zu Boden und entdeckte zwei nackte Füße, die Füße eines Kindes. Direkt dahinter waren noch zwei nackte Füße, die allerdings in abgetragenen Sandalen steckten. Die Lampe wurde von einer kleinen Hand gehalten.
› Wer bist du? ‹ , fragte mich eine Stimme. Sie gehörte zu der Gestalt mit den Sandalen.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also sagte ich die Wahrheit: › Ich habe mich verlaufen. ‹
Der kleine Indianer musterte mich schweigend, aber auch seltsam neugierig. Seine Nase war groß und platt, und seine schwarzen Augen glänzten.
Da er kein Wort sagte, fragte ich ihn, wer sie waren.
› Wir leben hier, direkt am Waldrand ‹ , antwortete das Kind mit den Sandalen. Es war viel größer als ich.
› Was habt ihr da? ‹
› Wasser ‹ , sagte der andere. › Wir holen am Fluss Wasser. ‹
› Und warum? ‹
› Die Besitzer dieser Erde haben unsere Brunnen zugeschüttet. Jetzt müssen wir jede Nacht zum Fluss, um Wasser zu holen. ‹
› Jede Nacht? ‹ , fragte ich verwundert. › Aber wieso haben sie denn eure Brunnen zugeschüttet? ‹
› Um uns von diesem Land zu verscheuchen, ist doch klar. Und du, wo wohnst du? ‹
Ich schwieg.
Irgendwann sagte der Junge, dass sie jetzt gehen müssten. › Nur die Guaraní kennen nachts den Weg, deshalb müssen wir bei ihnen bleiben. Und du, was machst du? ‹
Ich öffnete nicht einmal den Mund.
Der Junge nahm dem kleinen Indianer die Lampe ab und leuchtete mir ins Gesicht. › Mann, du siehst aber gar nicht gut aus ‹ , sagte er. › Hast du Durst? ‹
Ich starb vor Durst, ich konnte an nichts anderes mehr denken, aber ich schämte mich, es zuzugeben.
Der Junge begriff es aber auch so. › Nimm ‹ , sagte er und hob den Eimer an. › Trink einen Schluck. Außerdem ist der Fluss ja auch gleich da drüben, nur wenige Meter von hier. Wieso hast du dich überhaupt verlaufen? ‹ Er lachte. Offenbar machte er sich über mich lustig.
Ich legte die Lippen an den Eimer, der nach Metall schmeckte, und trank, bis das Kind den Eimer wegriss und mir wehtat.
› Nicht so viel. Willst du denn alles alleine trinken? ‹
Ich schüttelte den Kopf. Meine Lippe schmerzte, aber die Jungen waren schon aufgebrochen. Innerhalb weniger Sekunden waren sie in der Dunkelheit verschwunden. «
Agata schwieg.
» Aber ich langweile dich, Entschuldigung « , sagte der Drache, als würde er aus einem Traum erwachen. » Es ist auch schon spät. Wir müssen. «
Sie gingen in die Küchenräume hinab. Der Drache trank eine Tasse Getreidekaffee ohne Zucker, Agata nippte an einem Tee. Draußen stand schon der Jeep bereit. Leo war nachts auf der Fazenda eingetroffen und erschien in diesem Moment ebenfalls auf der Bildfläche. Höflich, wie es seine Art war, begrüßte er die Anwesenden und nahm dann schnell etwas zu sich.
Wenige Minuten später saßen sie im Wagen. Von der Straße aus sah man die Spitze des Stahlbohrers hinter den Bäumen. Der Jeep nahm allerdings eine andere Richtung. Agata betrachtete den Bohrer und warf Sebastian einen vielsagenden
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