Durst: Thriller (German Edition)
Lamaielle geleiteten Bohrungen. Die Inspektion dauerte ein paar Stunden. Zwei Ingenieure widmeten sich eingehend den technischen Details, aber es hatte alles seine Richtigkeit. Was Lamaielle und seine Leute da machten, war ein vollkommen normaler Versuch, unterirdisches Wasser an die Oberfläche zu pumpen. Nur ein paar der lästigen behördlichen Genehmigungen fehlten, und so wurde die Baustelle versiegelt.
Die Polizei hatte um die nötigen Angaben gebeten, um den Mahnbescheid an den Eigentümer der Gesellschaft, der das Grundstück gehörte, weiterleiten zu können. Wie aber Marco Coimbra bei der Abfassung seiner Klage bereits festgestellt hatte, war die Been International Teil eines ausländischen Konsortiums mit Verwaltungssitz in London, und es war praktisch unmöglich, einen Verantwortlichen zu finden. Die Bohrungen waren allerdings erst einmal gestoppt und die Stahlpumpe stillgelegt. Die Arbeiter, einschließlich Hector Lamaielles, hatte man nach Hause geschickt.
Marco Coimbras Bericht war knapp. Matheus saß auf seinem Hotelbett in Rio und sagte kein Wort. » Und jetzt? « , fragte er schließlich.
» Jetzt werden wir sehen. Wie du weißt, sind diese Dinge sehr kompliziert. Immerhin haben wir aber die Bohrungen gestoppt. Was auch immer sie mit diesem Wasser vorhaben, jetzt läuft da erst einmal nichts mehr. «
» Noch etwas, Marco. Merkwürdig, dass es euch nicht gelungen ist, dem Eigentümer der Been International den Bescheid zu übermitteln. In São Paulo ist ein Flugzeug von InthaWater gelandet, also muss doch jemand von diesen Leuten da gewesen sein. «
» Offenbar nicht « , sagte Coimbra. » Die Polizei hat auf der Fazenda niemanden angetroffen, der irgendetwas mit der Londoner Gesellschaft zu tun hat. Wir haben auch nach Jean-Sebastian Faucon suchen lassen, aber in den letzten dreißig Tagen ist keine Person dieses Namens nach Brasilien eingereist. «
» Verstehe. « Matheus wollte etwas sagen, verkniff es sich aber.
Sie verabschiedeten sich, und Matheus legte auf.
Ein paar Minuten blieb er noch sitzen und dachte nach. Dann stand er auf und zog aus der Innentasche der leichten Jacke, die er am Vortag getragen hatte, ein kleines Digitalmikrofon. Es sah aus wie ein Speicherstick.
Er drückte auf die Abspieltaste und hörte seine eigene Stimme.
› Ich bin Matheus, Ulisses. ‹
› Matheus, verdammt. ‹
Sofort spürte er wieder dieses merkwürdige, undefinierbare Gefühl, das ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Schnell schaltete er das Aufnahmegerät aus, steckte es in einen wattierten Umschlag, schrieb Carlo Apostolos Adresse darauf und klebte ihn zu.
Er trat ans Fenster. Am Himmel von Rio brach die Sonne hinter den schweren, grauen Wolken hervor.
Wenige Minuten später hatte Matheus das Zimmer verlassen.
An einem Sonntag drei Monate später wimmelte es auf der Straße von Menschen, die auf dem Weg in die Wahllokale in Schulen und Kirchen waren. Floriana hatte Gabriel dabei, der wiederum seinen Ball mitgenommen hatte und vor dem Wahllokal mit den anderen Kindern spielte. Dann machten sie sich wieder auf den Heimweg. Floriana wohnte nicht mehr in der Favela, sondern war mit ihrem Sohn in eine kleine Wohnung in der Paula Matos gezogen, nicht weit von ihrer alten Wohnung entfernt. Jetzt hatten sie zwei große Zimmer, samt einem kleinen Balkon mit einem Avocadobaum davor, und führten so etwas wie ein anständiges Leben. Es war spät geworden, und Floriana deckte schnell den Tisch. Sie hatte eine neue Tischdecke mit einem fröhlichen gelben Tulpenmuster gekauft. Gabriel saß still vor dem Fernseher. Auf dem Herd standen Bohnen, wie nur Floriana sie zubereiten konnte. Außerdem gab es einen bunten Salat und Braten mit Karottenfüllung. Sie warf einen letzten Blick in die Küche. Alles in Ordnung. Plötzlich stand Gabriel in der Tür.
» Mama, wer kommt denn zu Besuch? «
» Carlo, mein Schatz. Carlo kommt und bringt einen Freund mit. «
» Was denn für einen Freund? «
» Den Mann, der uns hilft. Geh dich jetzt umziehen, los. Zieh den sauberen Pullover an, den ich dir aufs Bett gelegt habe. «
Der Junge ließ sein Bein vor und zurück schwingen und tat dann, was seine Mutter gesagt hatte.
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
Floriana nahm die Schürze ab und öffnete. Dann lehnte sie die Tür an und deckte schnell den Tisch zu Ende.
» Dürfen wir? « , fragte Carlo.
Floriana ging ihm entgegen. Er gab ihr einen Kuss.
Der alte Mann hinter Carlo stützte sich auf einen Stock
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