Dustlands - Die Entführung
tot. Sag das nie wieder. Und jetzt halt Pas Füße hoch. Fass an den Schnürsenkeln an. So ist es leichter.
Sie gehorcht.
Ich dreh mich um und zieh den Karren hinter mir her. Es ist anstrengend bei dem Regen und durch den Schlamm. Wasser läuft mir in die Augen, in den Mund, in die Ohren. Überall an meinen Stiefeln klebt Schlamm, und ich rutsch ständig aus.
Em ist ein hoffnungsloser Fall, wie immer. Sie fällt ständig hin, aber ich helf ihr jedes Mal wieder hoch, und wir gehen weiter. Wenigstens weint sie nicht mehr. Wir kommen zur Hütte, schieben und ziehen den Karren mit Pa, bis wir ihn drin haben.
Die Hüttenwände sind aus Reifen.
Das Zuhause, das Pa mit seinen eigenen Händen gebaut hat, wird sein Scheiterhaufen. Ich wette, das hätt er nicht gedacht.
Emmi hilft mir, unseren großen alten Holztisch auf den Kopf zu stellen, und dann zerren wir Pa vom Karren auf die Tischplatte.
Ich geh zur Truhe, wo wir unser bisschen Wäsche aufbewahren. Als ich den Deckel aufmach, steigt mir der Geruch von getrocknetem Salbei in die Nase. Ich zieh Pas dicken Winterkittel raus und werf ihn Emmi zu.
Reiß den in Streifen, sag ich.
Dann hol ich Lughs Winterkittel raus. Vergrab mein Gesicht darin und atme tief ein. Aber wir haben ihn vor dem Wegräumen gewaschen. Er riecht nach sauberem Stoff und Salbei. Er riecht nicht nach Lugh.
Ich geb mir einen Ruck und reiß ihn auch in Streifen.
Als wir damit fertig sind, liegt da ein hübscher Haufen. Ich stöber die Kanne Wurzelwhisky auf, den Pa in besseren Zeiten gebrannt hat. Wir tauchen alle Stoffstreifen in den Whisky. Dann sag ich Em, sie soll die Streifen in die Wände stopfen, in die Ritzen zwischen den Reifen. Die Übrigen leg ich um Pas Leiche rum.
Danach steck ich das Nötigste in meinen Rindenbeutel. Das rote Messerdingsda, Feuerstein, Heilkräuter, ein Hemd zum Wechseln.
Dieselben Männer, die Pa getötet haben, haben auch Lugh mitgenommen, sag ich. Ich geh ihnen hinterher. Ich weiß nicht, wo sie ihn hinbringen. Vielleicht weit weg von hier. Kann eine Weile dauern, bis ich ihn find. Aber finden werd ich ihn. Ich hol ihn zurück.
Ich verstau einen Wasserschlauch, ein Seil aus Nesselschnur und so viel Dörrbeerenstreifen und Wurzelkekse, dass wir ein paar Tage damit auskommen. Wenn uns das Essen ausgeht, muss ich eben jagen.
Sie haben einen Vorsprung, und sie sind auf vier Beinen unterwegs, nicht auf zweien, sag ich. Ich muss schnell sein.
Ich such Emmis Wasserschlauch, ihre Jacke und ihren Hundslederumhang zusammen. Dann sag ich, ohne sie dabei anzugucken: Ich lass dich bei Mercy in Crosscreek.
Nein, sagt Emmi.
Ich steck ihre Sachen in einen anderen Rindenbeutel.
Pa und Lugh haben mir aufgetragen, dich in Sicherheit zu bringen, sag ich, und da bist du in Sicherheit. Mercy und Ma sind Freundinnen gewesen. Sie hat bei Lughs und meiner Geburt geholfen. Zu deiner Geburt ist sie auch gekommen.
Ich weiß, sagt Em.
Wir sprechen nicht aus, was wir beide wissen: dass Mercy zu spät gekommen ist. Emmi ist zu früh gekommen, Ma ist gestorben, und Mercy hätt sich den Dreitagesmarsch genausogut sparen können.
Mercy ist eine gute Frau, sag ich. Pa hat immer gesagt, wenn ihm irgendwas passiert, sollen wir zu ihr gehen. Er hat Lugh und mir den Weg nach Crosscreek erklärt. Vielleicht hat sie sogar ein Kind, mit dem du spielen kannst.
Das ist mir egal, sagt Emmi. Ich geh mit dir.
Das geht nicht, sag ich. Ich weiß nicht, wo ich hingeh oder wie lange das dauert. Außerdem bist du zu klein. Du würdest mich nur aufhalten.
Emmi verschränkt die Arme und streckt das Kinn vor wie immer, wenn sie stur ist. Lugh ist auch mein Bruder! Ich hab ein Recht, nach ihm zu suchen, genau wie du.
Mach mir keine Scherereien, Emmi. Ich nehm die kleine Wäscheklammerpuppe, die Pa für sie gemacht hat, und steck sie in den Beutel. Es ist am besten so. Wenn ich Lugh gefunden hab, kommen wir zurück und holen dich, versprochen.
Glaub ich dir nicht, sagt sie. Du hasst mich. Du liebst Lugh, und mich hasst du. Ich wünscht, sie hätten dich statt Lugh mitgenommen.
Tja, haben sie aber nicht, sag ich. Pa und Lugh haben gesagt, dass ich für dich verantwortlich bin, und ich sag, du bleibst bei Mercy. Und damit basta.
Ich steck Lughs Schleuder in meinen Gürtel. Und Pas Messer in eine Scheide in meinem Stiefel. Häng mir Köcher und Armbrust um.
Diesiges rotes Licht sickert durchs kleine Fenster. Es fällt genau auf Pas Gesicht.
Ich knie mich neben ihn hin, nehm seine Hand. Emmi kniet
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