Dynamit im Kofferraum
— und schließlich, wie üblich, kurze Suchaktion durch den Ort.
Wegen Uwe. Denn spätestens um Mitternacht lag Nepplers Bruder irgendwo im
Straßengraben, abgefüllt mit Schnaps und nicht mehr bei Sinnen, geschweige denn
fähig, auf eigenen Füßen oder wenigstens kriechend sein Zuhause zu erreichen.
Neppler drückte auf die Fernbedienung.
Das Mattscheiben-Bild erlosch. Er verließ seine Villa und latschte über den
gepflasterten Platz zu dem weißen Gebäude, in dessen Keller der Zagato
versteckt war.
In der Halle standen neun
Oldtimer: Nepplers Fuhrpark. Sie waren nicht so toll, nicht so kostbar wie Dr.
Emrods erlauchte Versammlung oder Finkweilers Prachtstücke, sondern jüngeren
Baujahrs. Freilich — zusammengerechnet stellten auch sie einen Wert dar von
einigen Millionen. Und in den nächsten Jahren würde sich das noch gewaltig erhöhen.
Eine Seite der Halle war
ausgestattet wie eine Kfz-Werkstatt — beinahe jedenfalls. Neppler bastelte gern
mit Schraubenschlüssel und Ausbeulhammer.
„Na, Kinder“, meinte er
grinsend. In Ermangelung tatsächlicher Kinder hatte er die Blechkutschen
adoptiert. „Jetzt habt ihr einen starken Bruder bekommen. Zu dem wollen wir mal
nett sein.“
Mit Knopfdruck öffnete er die
geheime Falltür.
Mit Knopfdruck holte er die
hydraulisch bewegte Plattform herauf.
Dann schob er den Zagato zur
Werkstatt hinüber, montierte ihm Nummernschilder von einem Alt-Mercedes an, der
zugelassen war für den Straßenverkehr.
Neppler überprüfte den
Reifendruck, der etwas zu schlapp war, und er prüfte den Ölstand.
Dann ging’s an die Umformung,
wobei er sich derselben Methode bediente, mit der Gorilla-Typ Wratzka die
Möbelwagen-Aufschrift verdeckt hatte.
Neppler nahm schwarze Folien,
überklebte damit Türen, Heck und Dach. Die silberfarbene Rennsemmel sah jetzt
ganz anders aus.
Bei einem schnellen Blick im
Vorbeirauschen konnte man den Zagato für ein Cabrio halten oder für einen
Porsche, an dem sich ein Karosserie-Designer nachträglich ausgetobt hat.
Total unkenntlich! dachte
Neppler und strich am Auto-Pürzel die Folie glatt.
Er sah zur Uhr. Gleich elf.
Draußen eine kühle Herbstnacht.
Mit Vollmond, der die Wiesen und Weiden silbrig bepinselte. Das richtige Klima
für Hirschbrunft und Jäger und Nachtwanderer.
Hängebauchwolken und totale
Finsternis wären dem Immobilien-Hai lieber gewesen. Aber zurückhalten würde das
Mondlicht ihn nicht.
Er fuhr den Zagato aus der
Halle, fuhr zum Tor vorn, öffnete es und spähte die Friedhofstraße entlang.
Tote Hose, total, wie nicht
anders erwartet. Friedhofs-Besucher sind ja um diese Zeit selten.
Neppler stieg ein. Wenig Gas.
Er fuhr los. Das Getriebe krächzte ein bißchen. Da würde er nachschmieren
müssen. Aber diese Scheinwerfer! Tolles Licht!
Daß der Wagen Rechts-Steuerung
hatte, echt englisch, störte ihn nicht. Damit kam er zurecht.
Er rollte die Friedhofstraße
entlang und beobachtete den Tacho. Vorbei an den Auto-Wracks. Hah, ihr Prolos,
ihr Schrotthaufen. Hier kommt der Elito, der steinreiche Neppler, der ist was
besonderes und kann sich alles erlauben.
Zur Autobahn.
Nur wenige Fahrzeuge kamen
entgegen. Keins war hinter ihm. Endlich die Autobahn-Auffahrt — gleich hinter
Rottenbach. Auch hier war nichts los.
Minuten später hatte er
deutsche Rennstrecke unter den Reifen. Keine Beschränkung. Jedes Tempo erlaubt.
Heih, grenzenlose Freiheit nennt man das. Selbstverwirklichung für
Spatzengehirne. Temporausch zum frühen Tod.
Er preschte los.
Der Wagen vibrierte.
Neppler schaltete hoch.
Wie weit ließen die Gänge sich
ausfahren?
Der Tacho zeigte 170... 180...
190...
Super-Straßenlage. Keine
Vibration mehr.
...195... 198...199...
Nur Fliegen ist schöner, dachte
Neppler. Und hielt das für einen eigenen Geistesblitz.
War da eine Katze? Egal. Wenn
ja, ohnehin zu spät. Außerdem gehörte er nicht zu den Verrückten, die wegen
Tieren bremsen.
Zweihundert! Stimmte der Tacho?
Nana, Bursche! Du übertreibst etwas. Das sind doch noch keine 200 Sachen.
Er mußte niesen, spielte mit
dem Gas, preschte vorbei an einem vollbesetzten Bus und fragte sich, ob alle
Stoßdämpfer in Ordnung seien. Ein bißchen hart unterm Hintern.
Vorbei am nächsten Rastplatz.
Für einen Moment strich das
Fernlicht über den Streifenwagen, der dort stand — nein, aus der Ausfahrt
rollte in dieselbe Richtung.
Neppler, der selbsternannte
Elito, zuckte zusammen. Ausgerechnet jetzt! Sonst sind die doch nie da.
Also runter von
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