Dystopia
einen Weg an den Läden vorbei. Er folgte ihnen und lauschte dabei aufmerksam in Richtung der Tür. Auf den Metallstufen der Treppe, die zu der Tür hinaufführte, würden die Schritte des Neuankömmlings nicht zu überhören sein, trotz der monoton leiernden Durchsage, die in der Halle wesentlich lauter war.
Sie waren gerade am vierten Laden angelangt, als er es hörte. Schwere Schritte, die vernehmlich in dem Raum hinter der Tür widerhallten, während sie die Treppe hinaufkamen.
Paige bog sofort in das fünfte Geschäft ein, offenbar eine Buchhandlung, mit allerdings restlos leergeräumten Regalen. Bethany und Travis folgten ihr. Gleich darauf hörten sie, wie die Tür geöffnet wurde.
Fünf Sekunden vergingen.
Die Tür fiel klickend ins Schloss.
Ein Mann atmete vernehmlich aus.
Dann Schritte. Bedächtige, behutsame Schritte, die in ihre Richtung kamen. Deutlich zu vernehmende einzelne Schritte. Der Mann war allein.
Travis entsicherte die Flinte, in deren Kammer sich bereits eine Patrone befand. Er stellte sich mit dem Rücken an die Seitenwand des Ladenlokals, der sich die Schritte jetzt näherten, etwa einen halben Meter von der offenen Ladenfront entfernt. Dann hob er die Flinte an die Schulter und brachte sie in Anschlag.
Die Schritte hielten inne, schwer zu sagen, wo genau. Etwa drei Meter vor der Buchhandlung? Nicht viel weiter weg, da war sich Travis sicher. Insgeheim wäre es ihm lieber gewesen, wenn der Kerl weitergegangen wäre. Um einen Grund zu haben, losschießen zu können, auch auf die Gefahr hin, dass der Lärm ihnen noch mehr Schwierigkeiten einbrachte.
Dann hörte er ein statisches Rauschen und Knacken. Ein Funksprechgerät. Das einzige Kommunikationsmittel, das auf dieser Seite der Iris funktionierte.
Das Rauschen verstummte, und der Mann sprach. «Hier Lambert. Bin gerade im Terminal. Over?»
Wieder war das Rauschen zu hören. Dann meldete sich eine Männerstimme, gerade noch zu verstehen.
«Hier Finn. Ich höre, Lambert.»
«Sie waren hier. Hab an einer Außentür abgeblätterte Farbe vorgefunden. Muss erst kürzlich passiert sein, sonst hätte der Wind die Flocken längst weggeweht.»
Travis biss die Zähne aufeinander. Verdammt. Darauf hatten sie nicht geachtet.
«Irgendwelche Anzeichen, dass sie sich noch vor Ort befinden?», fragte Finn.
«Unmöglich zu sagen. Bin eben erst angekommen.»
Längere Zeit war nur das Rauschen zu hören. Dann meldete sich Finn erneut. «Na schön. Sie können wieder abziehen. Was wir wissen müssen, haben Sie ja schon herausgefunden. Kommen Sie zurück, um mit dem Kameramast behilflich zu sein.»
«Verstanden. Over.»
Noch einmal war das Rauschen zu hören, dann wurde das Funkgerät abgeschaltet. Travis wartete darauf, dass sich die Schritte zurückzogen, aber noch blieb alles still. Weil Lambert sich vermutlich gerade in der Flughafenhalle umsah. Was auch immer er bei dem Anblick der toten Kinder empfinden mochte, zu Tränen jedenfalls wurde er offenbar nicht gerührt. Nach einigen Augenblicken zog er sich wieder zu der Tür zurück und war gleich darauf verschwunden.
Travis ließ die Flinte sinken und drehte sich zu Paige um. Sie sah zwar in seine Richtung, aber ihr Blick ging an ihm vorbei. Als würde sie gerade über etwas nachdenken, fixierte sie die großen Fenster. «Hier dürfte es gerade gegen fünf Uhr sein», sagte sie. «Ich weiß zwar nicht, wann genau in Arizona im Oktober die Sonne untergeht, aber ich würde sagen, wir haben nur noch etwa eine Stunde.»
Travis folgte ihrem Blick. Das Sonnenlicht, das durch die Fensterfront hereinströmte, war noch so gleißend hell wie zur Mittagszeit, fiel aber schon in merklich schrägerem Winkel herein. Paiges Einschätzung war vermutlich richtig. Noch eine Stunde.
«Wir müssen hier weg, auf der Stelle.» Paige klang angespannt. «Wir müssen raus in die Wüste und durch die Iris in die Gegenwart zurückkehren. Dann können wir von dort aus zum Jeep zurücklaufen.»
Travis meinte zu wissen, was ihr Angst machte.
«Dieser Kameramast, von dem gerade die Rede war –»
Paige fiel ihm ins Wort. «Ja. Es gibt gute Gründe, davor eine Heidenangst zu haben. Und jetzt sollten wir endlich los. Alles Weitere erkläre ich unterwegs.»
Sie ging an ihm vorbei und verließ den Laden. Er wollte sich ihr gerade anschließen, als ihm auffiel, dass Bethany sich noch nicht vom Fleck gerührt hatte. Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Wie hypnotisiert starrte sie einen kleinen Papierkorb an, der
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