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Monroe während eines Streits in der Mittelstufe mit seinem Bleistift beigebracht hatte. Billy hatte danach ein blaues Auge. Ich fand das gerecht.
Meine Einkaufstechnik ist einfach: Ich gehe direkt zu Ann Taylor und finde ein T-Shirt, das mir gefällt. Das kaufe ich dann in sieben Farben. Danach finde ich eine Hose, die mir gefällt. Ich kaufe drei exakt gleiche Paare in der gleichen Größe. Selbiges passiert bei den Shorts. Auf dem Wühltisch erstehe ich einen Schal und eine Portmonnaie. Kaufe zwei Paar Schuhe, Größe 39, die mir bequem aussehen. Nichts von alledem probiere ich an. Dann bezahle ich. In weniger als einer Viertelstunde bin ich wieder verschwunden. Die Verkäuferinnen von Ann Taylor erkennen mich schon aus hundert Meter Entfernung und werfen mir eine Art „Zickenalarm“-Blick zu. Sie meiden mich, seitdem ich der Managerin einmal klipp und klar gesagt habe: „Hören Sie, ich werde in diesem Laden gleich sieben oder achthundert Dollar lassen. Ich brauche keine Hilfe. Und ich will auch nicht, dass mich jemand anspricht. Wenn Sie mich in Ruhe lassen, komme ich ein paar Mal im Jahr wieder, um mehr oder weniger den gleichen Betrag auszugeben. Ist das ein Angebot?“ Die Filialleiterin hatte genickt, und ich kaufe meine Sachen seit vier Jahren dort.
Nachdem ich meine Kreditkarte entsprechend strapaziert hatte, verließ ich das Einkaufszentrum und fuhr zum Stratford Oaks Assisted Pflegeheim.
„Morgen, Charlie.“ Ich lächelte dem Sicherheitsmann in der üppig mit Farnkraut bepflanzten Lobby zu.
„Guten Morgen, Miss Hayes.“
Ich hatte gehofft, ein richtiges Gespräch mit meinem Vater führen zu können, aber dieser Tag schien dafür nicht geeignet zu sein.
„Sophie!“ Er lächelte mich freudestrahlend an und begrüßte mich mit dem Namen meiner Mutter. Ich hasste es, dass ich so aussah wie sie.
„Jack.“ Ich lächelte zurück und ging auf diesen mir halb fremden Menschen zu, der nur noch selten wusste, wie ich wirklich hieß. Er sah mit jedem Tag schmächtiger aus. Angeblich lehnte er außer Kuchen jede andere Nahrung ab. Warum Kuchen? Früher nach dem Theater waren meine Eltern oft ins Greenwich Village gefahren und hatten ein paar Stücke bestellt.
„Komm her zu mir, Sophie. Ich muss dir die lustigste Geschichte erzählen, die mir je untergekommen ist.“
Ich hörte mir seine Anekdoten über Autoren und Verleger aus den literarischen Zirkeln des New Yorks der fünfziger Jahre an. Mein Vater hatte seinerzeit lange für Simon & Schuster gearbeitet. Ich lachte, wenn er es von mir erwartete, und täuschte Entsetzen vor, wenn der Moment dafür gekommen war. Ich hatte all diese Geschichten schon unzählige Male gehört. „Sophie“ tätschelte seine knochige Hand und lächelte und spielte die Rolle, die ihr zukam. Geduldig wartete ich auf den Moment, wo seine alte Klarsicht aufblitzte wie ein Sonnenstrahl, der sich seinen Weg durch eine Wolke bahnt. Manchmal wurde ich belohnt und fühlte mich wie jemand, der dieses wunderbare Naturschauspiel beobachtet und denkt, dass es dort oben im Himmel am Ende doch noch einen Gott gibt. Manchmal aber war die Wolkendecke so dicht, dass die Sonne keine Chance hatte, und mein Vater und ich blieben in dem traurigen Grau zurück.
„Es ist spät, Jack. Ich muss langsam gehen.“
„Jetzt schon, Sophie? Jetzt schon? Wir haben immer nur so wenig Zeit miteinander. Ich hoffe, deine Scheidung ist bald durch.“
„Es wird nicht mehr lange dauern, Jack. Und dann haben wir alle Zeit der Welt.“
Die Ärzte haben mir geraten, auf seine Fantasien nicht einzugehen. „Holen Sie ihn in die Gegenwart zurück“, sagen sie. Aber ich weigere mich, ihm die paar Stunden des Glücks zu verwehren. Er erinnert sich immer an dieselben Jahre. Meine Mutter und er gingen miteinander aus. Es war kurz bevor ich kam. Bevor sie uns beide wieder verließ.
„Ich liebe dich, Sophie.“
„Ich liebe dich auch, Jack.“
Die Bewölkung lockerte auf. „Um Himmels willen, Cassie. Wie lange bist du denn schon hier?“
„Noch keine zwei Minuten.“
„Na komm, umarm deinen alten Daddy.“
Ich drückte ihn an mich und roch dabei sein teures Rasierwasser Royal Copenhagen; mein Gesicht streifte den Frotteekragen seines blauen Bademantels.
„Wie geht es meiner großartigen Tochter?“
„Gut. Soll ich dir was verraten?“ sagte ich und setzte mich auf den Schemel zu seinen in Pantoffeln steckenden Füßen.
„Was?“
„Ich werde mit Roland Riggs arbeiten.“
Er lehnte sich in
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