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dem mit einem Chintzstoff bezogenen Stuhl zurück und lächelte.
„Als ob ich es nicht schon immer gewusst hätte … mein Gott, Cassie, du hast es geschafft.“
„Sieht so aus. Deswegen muss ich für ein paar Wochen weg. Er möchte, dass ich bei ihm bin, wenn wir an seinem neuen Roman arbeiten. Er lebt auf Sanibel Island.“
„Bring mir eine Muschel mit.“
Ich lachte. „Das werde ich. Kannst du dir das vorstellen? Mit Roland Riggs!“
Wir redeten etwa noch eine halbe Stunde. Ich klammerte mich an jedes klare Wort, das aus seinem Mund kam. Dann spürte ich, wie er zunehmend müder wurde.
„Ich muss jetzt los, Dad.“
Ich beugte mich zu ihm und umarmte ihn erneut.
„Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch. Und ich bin sehr stolz auf dich.“
„Das weiß ich, Dad. Das weiß ich.“
Ich unterdrückte die Tränen und stand auf.
„Du musst mir alles erzählen, wenn du wieder hier bist.“
„Na klar.“
„Du darfst nicht das kleinste Detail vergessen.“
„Nein.“ Ich legte ihm die selbst gestrickte Decke über die Beine und drückte ihm ein letztes Mal die Hand.
Ich ging die Linoleumflure entlang nach unten. Der Geruch seines Rasierwassers wurde von dem der krankenhaustypischen Desinfektionsmittel ersetzt. „Nichts werde ich vergessen, Daddy“, flüsterte ich. Ich wünschte, bei ihm wäre es genauso.
4. KAPITEL
„L aptop?“
„Hab ich.“
„Badeanzug?“
„Lou, ich glaube, das ist nicht nötig.“
„Badeanzug?“ wiederholte er etwas hartnäckiger.
„Okay, hab ich.“ So präzise, wie Lou mich auf die Reise vorbereitete, hätte man meinen können, er schickte mich in den Krieg. Wir standen in der Tiefgarage meines Apartmenthauses, sein schwarzer Jaguar neben meinem gelben Monster, und starrten in den Kofferraum meines Wagens, als läge dort der Verbrecher, den wir soeben dingfest gemacht hatten.
„Schlafanzüge?“
„Ich habe einen Kimono dabei.“
„Ist nicht dasselbe. Schlafanzüge, Cassie. Du kannst in Roland Riggs Haus nicht nackt schlafen. Was ist, wenn ein Feuer ausbricht?“
„Du erinnerst mich immer mehr an eine jüdische Großmutter.“
„Schlafanzüge?“
„Bademantel.“
„Ich wusste schon, dass das passieren würde. Warte eine Sekunde …“ Er ging zu seinem Auto und kramte auf seinem Vordersitz herum. „Da.“ Er lächelte und hielt mir ein rosa-weiße Tüte von Victoria’s Secret hin. Sie enthielt einen äußerst geschmackvollen Pyjama.
„Was denn? Kein übergroßes T-Shirt mit
South Park
-Motiv?“
Meine Bemerkung ignorierend fuhr er mit seiner Liste fort. „Handy?“
„Hab ich.“
„Tagesplaner?“
„Hab ich.“
„Kaffeemaschine?“
„Hab ich.“ Um Roland Riggs nicht vor meiner ersten Dosis Koffein unter die Augen treten zu müssen, hatten wir entschieden, dass ich meine eigene Kaffeemaschine mitnahm.
„Kaffeebohnen?“
„Hab ich.“
„Kaffeemühle.“
„Hab ich.“
„Doppelten Café Latte mit zwei Stückchen Zucker für unterwegs.“
„Nein … Ich habe mir überlegt, dass ich zwischendurch irgendwo anhalte.“
„Wenn du das machst, kommst du zu spät. Kannst du nicht wenigstens einmal pünktlich sein? Warte.“ Er beugte sich erneut über den Vordersitz seines Jaguars und kam mit einem Becher Café Latte aus meinem liebsten Coffee Shop zurück.
„Hast du da vorne zufällig auch einen großen, dunkelhaarigen und gut aussehenden Typen drin, der außerdem noch kochen kann?“ Ich nahm den Pappbecher und stellte ihn auf das Dach meines Caddys.
„Da muss ich passen, aber an alles andere habe ich gedacht. Deswegen sind wir so ein gutes Team.“
Er sah mich lächelnd an, und das war wieder einer unserer merkwürdigen Momente. Ich wusste, dass er mich quasi als seine Tochter betrachtete. Helen und er hatten keine Kinder. Aber Helen hatte es seit jeher verstanden, andere mit liebenswerten Kleinigkeiten zu überraschen. Groß und blond und mit der Aura einer Grace Kelly war sie es, die stets die Weihnachtsgeschenke besorgt hatte – und immer waren es sehr persönliche und passende Dinge gewesen: die Erstausgabe von Hemingways „Fiesta“, eine antike Kameebrosche, ein Set mit Kamm und Bürste aus Silber und Schildpatt mit eingraviertem Monogramm. Helens Geschenke kamen von Herzen, und sie sollten mir zeigen, wie sehr Lou und sie mich liebten. Ohne Helen stand Lou vor der gewaltigen Herausforderung, selbst einen Ausdruck für seine Gefühle zu finden. Seit ihrem Tod nahm er mich manchmal unbeholfen in den Arm,
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