Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
e-Motion

e-Motion

Titel: e-Motion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Orloff
Vom Netzwerk:
waren wir uns einig: eine Zigarre ist manchmal bloß eine Zigarre), selbst über meinen Vater und meine Mutter redeten wir. Indem ich ein Lied von Elvis laut mitsang, vertrieb ich Michaels Gesicht aus meinem Gedächtnis, aber es war immer dasselbe: Sobald ich mich zu sehr anstrengte, kam sein geheimnisvolles Lächeln, das ich von dem Buchumschlag so gut kannte, automatisch wieder zurück. Stunden nach meiner Abfahrt in Boca ließen mein Bananenmobil und ich die Everglades hinter uns und bogen in Richtung der Insel ab. Wenn man wegen des Strandes und der Sonne und der Palmen und dem Sand herkommt – was bei mir nicht der Fall war –, dann ist Sanibel Island in der Tat das Paradies. Ich hatte noch immer nicht mit Roland Riggs gesprochen, aber er hatte Lou eine präzise Wegbeschreibung zu seinem Haus gegeben. Für einen New Yorker verheißt es nichts Gutes, wenn die mit „Und dann biegst du in den Immergrünweg ab“ anfängt.
    Während ich den Immergrünweg entlangschlich, selbstverständlich gab es in jede Richtung nur eine Fahrspur, verfluchte ich die Blauhaarige vor mir, die ihren alten Chevrolet Caprice mit der Eleganz und Geschwindigkeit eines indianischen Rennfahrers auf Valium vorwärtsbewegte. Derart gemütlich tuckerte ich in Sanibel Island ein. Ein McDonald’s, eine Pizzeria, ein Maklerbüro, ein Andenkenladen. Kein Coffee Shop weit und breit. Kein Café, das ich fernab von zu Hause als meine Stammkneipe in Betracht ziehen könnte. Nie und nimmer würde ich hier vier Wochen überleben.
    Ich folgte den Schildern, schlängelte mich an der Küste entlang, bis ich vor einem schmiedeeisernen Tor ankam. Das Haus dazu konnte man nicht sehen. Dünenartige Sandhügel versperrten die Sicht. Ich stieg aus dem Wagen und entdeckte die Gegensprechanlage neben dem Tor. Ich drückte einen Knopf und wartete. Ich drückte ein zweites Mal.
    „Hallo?“ Das war eine weibliche Stimme.
    „Hallo. Ich bin es, Cassie Hayes. Wohnt hier Roland Riggs?“
    „Sí
. Warten Sie einen Moment.“
    Ein Summen ertönte, und das Tor öffnete sich automatisch. Ich ging zurück zu meinem Auto und fuhr hindurch. Die Auffahrt – sofern man die kurvenreiche Pracht aus Kies und Sand Auffahrt nennen konnte – führte zu einem riesigen Haus, das oberhalb einer Düne auf Pfählen errichtet war, die wie die Beine eines Reihers aus der Erde staksten.
    Ich parkte den Wagen vor einem weiteren, verzierten schmiedeeisernen Tor, das in den Garten führte. Meine Sachen ließ ich vorerst im Auto, und als ich das Tor öffnete, war ich erstaunt, wie nervös ich war. Ich war kurz davor, einem der literarischen Giganten des zwanzigsten Jahrhunderts von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. Um diese Chance zu erhalten, hätte die ABC-Reporterin Barbara Walters ihre Kolleginnen Katie Couric und Diana Sawyer ohne mit der Wimper zu zucken niedergestreckt.

5. KAPITEL
    N eben der Brandung des Golfs von Mexiko nahm ich zusätzlich ein leises Sprudeln und Plätschern wahr. Ich sah mich im Garten um und entdeckte einen Teich voll mit Kois. Schwärme von golden und weiß gesprenkelten Fischen schwammen faul im Wasser umher, ab und an tauchte ein Stück ihrer Flossen auf, um einen Sonnenstrahl einzufangen. Auf dem kleinen Steinwall, der den Teich umgab, thronte eine Katze. Sie war ganz weiß mit grünen Augen und leckte sich die Pfoten, bis sie mich bemerkte.
    „Hey, Katze“, sagte ich und nickte ihr freundlich zu. Da sah ich mindestens zehn weitere Katzen im Garten. Von den Ästen der Bäume hingen Orchideen herunter, weiße, tief rosafarbene und dunkelrote, alle in voller Blüte stehend und weiter austreibend. Andere Blumen und Büsche verströmten ihre intensiven Düfte, es roch nach Zitrone und Jasmin. Hier wuchsen Frucht- und Avocadobäume; Limetten, Orangen und Nektarinen waren reif. Selbst Azaleen und Gardenien gediehen in diesem Garten, was auf dem sandigen Boden Floridas keineswegs selbstverständlich war. Ein paar besonders lauschige Eckchen waren von Zedern und Ginster eingefasst. Ganz klar, dass hier jemand viel fürs Gärtnern übrig hatte. Die Blumen davon zu überzeugen, in der sengenden Hitze Floridas und auf dieser Erde zu sprießen, war eine echte Herausforderung. Riggs musste für solche Ergebnisse tonnenweise Mutterboden hergekarrt haben.
    Ich näherte mich dem Haus, und jetzt nahm ich seine Ausmaße zum ersten Mal erst richtig wahr. Gebaut aus Glas, Stein und Holz, hatte man von drei Seiten einen Blick auf das Meer. Eine schmale Schiefer-

Weitere Kostenlose Bücher