e-Motion
nuschelte mir etwas Nettes zu, wenn die Situation danach war, tröstete mich über selbstmitleidige Stunden hinweg, in dem er mich in unsere Lieblingskneipe führte. Durch Helen war Lou weicher geworden; sie waren ein perfektes Paar, und ohne sie fehlte Lou die Orientierung.
„Das beste Team der Verlagsbranche.“ Ich drückte ihn. Wir hatten in etwa die gleiche Größe. Er klopfte mir auf den Rücken.
„Ruf mich an.“
„Mach ich. Du wirst mich vermissen.“ Ich löste mich aus der Umarmung.
„Mit Sicherheit. Wer soll mir jetzt schließlich nach zwei Kannen Kaffee die Herstellungspläne und Umschlagentwürfe um die Ohren hauen? Wahnsinn, es könnte sogar sein, dass ich dank deiner Abwesenheit endlich mal zum Arbeiten komme.“ Er räusperte sich. „Ich glaube, du fährst jetzt besser.“
Ich warf meinen Pyjama in den Kofferraum, setzte mir meine Ray-Ban-Sonnenbrille auf und nahm den Becher vom Dach.
„Gib es zu.“
„Ja, ja. Ich werde dich vermissen. Nun fahr endlich.“
Ich manövrierte meinen Wagen aus der engen Parklücke, winkte zum Abschied und machte mich auf den Weg, wobei ich mir größte Mühe gab, nicht an Michael Pearton zu denken. Doch selbst nach einer vollen Ladung Koffein arbeitet der Kopf nicht immer so, wie man es gerne hätte. Ich fuhr durch die Everglades Floridas in Richtung Sanibel Island und versuchte wirklich, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Aber je angestrengter ich mich darum bemühte, desto lebendiger hatte ich sein Gesicht vor Augen, und der Klang seiner Stimme wehte zu mir herüber, als hätte ich einen unsichtbaren Beifahrer neben mir sitzen.
Ich zwang mich, an Lou zu denken und an
Simple Simon
, das ich mir noch dreimal hatte durchlesen müssen. Lou war nach Roland Riggs’ Anruf unausstehlich geworden. Jeden Tag fiel ihm etwas Neues ein. „Bring, wenn möglich, sofort dein E-Mail ans Laufen. Direkt nach deiner Ankunft. Und ruf mich an, sobald du das Manuskript gelesen hast. Sag mir, wie er aussieht. Sieh zu, ob du rausfinden kannst, wie er zur Öffentlichkeitsarbeit steht. Ob er Interviews geben würde.“ Seit Lou damals der Kinolegende Joan Fontaine auf den Fersen war, um sie für eine Biografie zu gewinnen (sie lehnte ab), habe ich ihn nicht mehr so aufgeregt einem Buchprojekt hinterherjagen sehen.
„Lou, sei endlich still“, hatte ich gesagt. „Du machst mich nervös. Er ist auch nur ein Mensch, der im Stehen pinkelt wir ihr alle.“
„Manchmal pinkel ich auch im Sitzen.“
„So genau wollte ich es eigentlich nicht wissen.“
„Jetzt mach mal halblang. Was muss ich mir denn nicht jeden Monat alles erzählen lassen, wenn du deine Tage bekommst? Wir bereiten uns auf dein PMS vor, als würde ein Hurrikan mit direktem Kurs auf Boca über die Karibik fegen. Dann kannst du dir auch anhören, wann ich wo sitze.“
Ich lächelte still vor mich hin, während ich fuhr. Denk an Lou und Roland Riggs – fing ich etwa schon an, Selbstgespräche zu führen? – und nicht an Michael Pearton. Ich machte die Anlage an, legte meine Elvis-Costello-CD ein und steuerte zum Takt von „Indoor Fireworks“ auf die Alligator Alley zu.
Die Alligator Alley ist ein wenig befahrener, flacher Highway, der die Ostküste Floridas mit der Westküste verbindet. So weit das Auge reicht, ist man in alle vier Himmelsrichtungen von den Everglades umgeben. Nichts als Sümpfe und Schilfgras, abgestorbene Bäume. Und Alligatoren, nehme ich an. Und Leichen. Die Mafia rechnet mit ihren Gegnern gern in den Everglades ab. Das behauptet zumindest Joe „Bumm-Bumm“ Grasso. Wir haben sein Buch über das Leben in der skrupellosen Gambino-Familie veröffentlicht.
Die endlosen Meilen durch die Sumpflandschaft nagten an meinen Nerven. Ich gab den Widerstand auf und gestattete Michael, sich in meine Gedanken zu schleichen. Das Kennzeichen eines guten Lektors ist seine Fähigkeit, alle Informationen wie ein Schwamm aufzusaugen und keine einzige zu vergessen. Mit der für mich typischen Besessenheit, spulte ich in meinem Kopf noch einmal jede Unterhaltung ab, die ich im Laufe der fünf Jahre mit Michael geführt hatte.
Am Anfang gingen wir kaum über das normale Geplänkel hinaus. Wir zündeten kleine Tischfeuerwerke, weiter nichts. Irgendwie waren wir mit der Zeit aber zu intimeren, nächtelangen Telefonaten übergegangen und sprachen über Gott (er bemühte sich redlich, mich zu einer anderen als der agnostischen Weltanschauung zu bekehren), über das Schreiben, unsere Träume, Freud (da
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