_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste
war. Sie war sich jedoch bewusst, dass er sie attraktiv fand, und das erzeugte ihr Unbehagen. Er ließ nie eine Gelegenheit aus, sie zu berühren oder sie auf eine lüsterne Weise anzustarren, die ihr irgendwie das Gefühl gab, beschmutzt zu werden.
„Antonia! Was machst du hier? Wir haben nicht damit gerechnet, dich wieder in London zu sehen.“
„Guten Abend, Hewitt“, erwiderte sie kühl und wandte sich mit herzlichem Lächeln dem Butler zu. „Guten Abend, Hodge. Ich …“
„Du kannst nicht ins Haus, Antonia“, fiel Hewitt ihr unhöflich ins Wort und verstellte ihr den Weg. „Großmutter war sehr krank und kann dich unmöglich empfangen, schon gar nicht zu dieser Zeit. Du musst in ein Hotel gehen.“
„Unsinn, Hewitt! Ich bin hier, weil meine Großtante mich eingeladen hat. Geh beiseite und lass mich vorbei. Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, bist du schrecklich dick geworden. Ich meine, das ist nicht gut für dich, erst recht nicht in diesem warmen Wetter. Du siehst reichlich erhitzt und aufgeregt aus, ganz rot im Gesicht. Guten Abend, Hewitt. Ich will dich nicht länger aufhalten.“
„Ihr Zimmer ist schon hergerichtet, Miss Antonia“, warf Hodge ein. „Und die Köchin hat Ihr Lieblingsgericht bereits zubereitet.“
Antonia wusste, dass das nicht stimmen konnte. Sie schenkte Hewitt, der wie ein Pfauenhahn kollerte, ein süßes Lächeln und ging in die Halle. Ihr Cousin wurde noch weiter inkommodiert, weil zwei Lakaien die Treppe hinunterliefen, um Antonias Gepäck aus der Kutsche zu holen. Da jeder ihn ignorierte, stülpte er den Hut auf den Kopf und schlug den Weg nach Piccadilly ein.
„Ihre Ladyschaft hält sich im Blauen Salon auf“, sagte der Butler. „Soll ich Sie ankündigen?“
„Danke, ich kenne den Weg, Hodge.“ Antonia begab sich in die erste Etage und war froh, wieder in der vertrauten Umgebung ihres alten Heims zu sein. Nur Maria fehlte, damit alles so wie früher gewesen wäre, doch die Freundin hatte, nachdem Antonia ihr die Absicht mitgeteilt hatte, nach London zu flüchten, widerstrebend eingewilligt, zurückzubleiben und das Haus zu hüten.
Antonia betrat den Salon, und bei ihrem Anblick rief die Großtante aus: „Großer Gott!
Bist du es wirklich, Antonia?“ Lady Granger streckte die Arme aus, und Antonia schmiegte sich hinein. „Es tut meinem Herzen so gut, dich wieder zu sehen, mein liebes Kind.“
„Es tut mir Leid, dass ich so unangemeldet hergekommen bin. Ich hoffe, das inkommodiert dich nicht, Großtante.“ Antonia setzte sich zu ihr und ergriff ihre Hand.
Sie war schockiert, wie dünn und durchsichtig die Hand der alten Dame war. Der Druck der Finger war jedoch noch kräftig, und die alten Augen hatten immer noch einen klaren, scharfsinnigen Ausdruck.
„Nachdem ich deinen Brief gelesen hatte, war ich so glücklich, dass ich deiner Einladung sofort Folge leisten wollte.“ Diese Behauptung klang selbst Antonia falsch in den Ohren. Lady Granger ließ sich auch nicht davon täuschen.
„Sag mir, aus welchem Grund du wirklich hergekommen bist“, forderte sie Antonia auf. „Wer ist der Mann, der für die Schatten unter deinen Augen verantwortlich ist?“ Die unumwundene Art der Großtante irritierte Antonia. „Lord Allington“, antwortete sie ehrlich.
„Ach ja? Ist er ein genauso gut aussehender Bursche wie sein Großvater? Das war ein stattlicher Mann, der eine wirklich leichtfertige Lebensauffassung hatte. Ich hätte ihn beinahe geheiratet, fand jedoch, dass er ein viel zu großer Schürzenjäger war, selbst für meinen Geschmack.“
„Lord Allington sieht tatsächlich sehr gut aus“, räumte Antonia verlegen ein. „Er ist arrogant und ein Lebemann.“
„Aber du liebst ihn, wie ich vermute, nicht wahr?“
„Ja.“ Antonia traten die Tränen in die Augen, und ihre Lippen begannen zu zittern.
„Wage nicht zu weinen, Kind! Vergiss nicht, wer du bist, und besinne dich deines Stolzes! Kein Mann ist auch nur eine einzige Träne wert. Ich spreche aus Erfahrung.“ Antonia biss sich auf die Unterlippe, bis die Tränen versiegt waren.
„Warum bist du vor Lord Allington weggelaufen, Kind? Hat er sich dir unehrenhaft genähert? Hast du ihm irgendwelche Freiheiten gestattet?“ Lady Granger dachte daran, dass Lord Allington, falls er die Großnichte verführt haben sollte, sich noch vor dem Ende der Woche vor dem Traualtar wieder finden würde, und wenn sie genötigt sein sollte, ihn mit vorgehaltener Schusswaffe dazu zu
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