_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste
verlegen und in wachsender Ungeduld auf die Unterlippe. Nein, Marcus kam nicht. Sie hatte verloren.
„Antonia!“ Seine rau klingende Stimme war ganz aus der Nähe zu ihr herübergedrungen. Ihr Herz machte einen Sprung. Langsam drehte sie sich zu dem Mann um, den sie liebte.
„Du wolltest mit mir reden?“
„Nein. Was ich wollte, war das!“ Sie stellte sich vor ihn, schlang sinnlich die Arme um seinen Nacken und gab ihm einen Kuss auf den Mund.
Er zögerte nur kurz. Sie hatte ihn vollkommen überrascht. So wie sie hätte eine wohlerzogene junge Dame sich nie benommen. Aber sein Verlangen nach ihr überwältigte ihn, und rasch zog er Antonia an sich. Er küsste sie begehrlich und erkundete wild die Süße ihres Mundes.
Ohne den Kuss zu unterbrechen, hob er sie auf die Arme und trug sie mühelos zu einer Bank. Er setzte sie sich auf den Schoß und drückte sie sich eng an die Brust.
Der Kuss nahm kein Ende, berauschte Antonia und verdrängte jeden vernünftigen Gedanken. Sie hatte sich eine kleine Rede ausgedacht, in der sie Marcus sagen wollte, sie sei bereit, ihm zu vergeben, falls er Lady Reed aufgab. Doch selbst wenn sie zu sprechen imstande gewesen wäre, hätte sie nicht mehr gewusst, was sie eigentlich hatte sagen wollen.
Plötzlich löste Marcus sich von ihr, setzte sie unsanft auf die kalte schmiedeeiserne Bank und stand auf.
„Marcus“, sagte Antonia betroffen.
„Pst!“ äußerte er warnend und schaute starr auf eine dunkle Stelle zwischen den Gewächsen. Dann zupfte er sich die Weste glatt und trat rasch ins Mondlicht.
„Claudia!“ rief er in sinnlichem Ton. „Hier also bist du. Ich habe dich schon gesucht.“ Er machte noch einige Schritte, und Antonia, die durch das Geäst der Pflanzen lugte, sah ihn zu Lady Reed gehen, sich zu Ihrer Ladyschaft vorneigen und ihr einen stürmischen Kuss geben.
Sie war schockiert und fühlte sich sehr gedemütigt. Ihr war klar, dass sie unbedingt das Risiko vermeiden musste, von Ihrer Ladyschaft gesehen zu werden, die sich aufreizend an Marcus schmiegte und ihn begierig küsste.
„Später, Claudia, später“, murmelte er und ging mit ihr zur Tür. „Wir müssen in den Salon zurück. Sonst wird man über uns tuscheln.“
Antonia starrte eine Motte an, die sich, vom Kerzenlicht angezogen, die Flügel verbrannte. Sie verglich sich mit dem Insekt, weil sie fand, sie habe sich in ihrer Leidenschaft für Marcus verzehrt. Wut und das Gefühl der Erniedrigung hatten alle anderen Regungen vertrieben. Sie sagte sich, sie hätte wissen müssen, dass er nicht verzeihen konnte. Sie hatte seinen Heiratsantrag abgelehnt, ihn am Flussufer mit Mr.
Blake getäuscht und ihn vor ihm in eine nachteilige Situation gebracht. An diesem Abend hatte sie zu deutlich gezeigt, wie zufrieden sie über die gelungene Täuschung war. Daher hatte Marcus schreckliche Rache an ihr genommen und dafür gesorgt, dass sie nie mehr wagen würde, sich mit ihm anzulegen.
Niedergeschlagen, gedemütigt und in ihrem Elend nicht fähig, sich zu regen, blieb sie sitzen, bis Lady Meredith mit besorgter Miene zu ihr kam.
„Fühlen Sie sich nicht wohl, Miss Dane, meine Liebe?“
„Nein! Ja!“ Das Sprechen fiel Antonia sehr schwer. „Ich glaube, ich habe mir eine Erkältung geholt. Entschuldigen Sie. Ich muss nach Haus. Kann ich wieder über die Kutsche verfügen?“
„Ja, natürlich, meine Liebe.“ Lady Meredith eilte aus dem Wintergarten und kam einige Minuten später mit Antonias Mantel und Ridikül zurück. Sie legte ihn ihr um die Schultern und sagte, die Kutsche werde gleich vorgefahren.
Antonia lehnte das freundliche Angebot ab, sie zum Witwenhaus zu begleiten, und entschuldigte sich noch ein Mal für die Ungelegenheiten, die sie bereitete.
„Nein, ich muss mich entschuldigen“, erwiderte Anne grimmig, während sie Miss Dane zur Haustür brachte und im Stillen die Dummheit der Männer, insbesondere die des Bruders, verfluchte. Sie glaubte die Geschichte nicht, die Antonia ihr erzählt hatte. Wenn eine junge Frau allein und in niedergeschlagener Stimmung im Wintergarten saß und eine andere triumphierend strahlte, musste man kein Genie sein, um zu begreifen, was passiert war.
Mit besorgter Miene und Wut im Herzen blickte Anne der fahrenden Kutsche hinterher.
Marcus sah ihren zornigen Blick auf sich gerichtet, als sie in den Salon zurückkehrte, und vermutete, weil er eine Kutsche abfahren gehört hatte, dass Anne soeben Miss Dane verabschiedet hatte. Grimmig presste er die
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