_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste
wäre es lieb, du würdest dich nicht so hinflegeln, Marcus!“
„Sie hat nichts gesagt.“ Er blieb so sitzen, wie er saß.
„Nichts? Was meinst du damit? Kannst du dich nicht deutlicher ausdrücken, Marcus?
Hat sie sich geweigert, dich zu sehen? Wenngleich das mich nicht wundern würde, nachdem Lady Reed, diese unmögliche Person, sich gestern Abend bei Tisch so unschicklich benommen hat.“
„Miss Dane ist abgereist“, erklärte Marcus.
„Abgereist? Wohin ist sie gefahren?“ Abrupt nahm Anne in dem ihrem Bruder gegenüberstehenden Sessel Platz.
„Ich habe keine Ahnung. Allerdings vermute ich, dass sie entweder nach Bath oder nach London unterwegs ist.“
„Du hast also die einzige Chance vertan, die Frau zu heiraten, die perfekt zu dir passt, und sie obendrein noch gekränkt!“
„Ich habe ihr vor dem ersten Essen, das wir hier veranstaltet haben, einen Heiratsantrag gemacht, den sie abgewiesen hat.“ Mit dieser Formulierung hatte Marcus die Ereignisse reichlich komprimiert wiedergegeben. Vor allem hatte er es unterlassen zu erwähnen, welche Rolle Claudia dabei gespielt hatte. Anne ließ sich jedoch nicht täuschen.
„Ich nehme an, du hast geglaubt, Miss Dane würde dir vor Entzücken um den Hals fallen“, sagte sie hitzig. „Schließlich tut doch jeder, was du willst, nicht wahr, Marcus?“
„Was willst du damit zum Ausdruck bringen?“ fragte er, setzte sich aufrecht hin und starrte sie an.
„Seit du ein Kind warst, wurdest du verhätschelt und verzogen und musstest nie jemandem Rechenschaft für dein Verhalten ablegen. Zweifellos ist das der Grund, warum dieses reizende Mädchen dich abgewiesen hat. Nein, lass mich ausreden!
Manchmal bist du wirklich unglaublich hochmütig. Ich nehme an, du liebst Miss Dane. Hast du ihr das gesagt, oder einfach nur angenommen, es sei genug, dass der hochherrschaftliche Lord Allington ihr die Ehre erweist, um sie zu werben?“ Es klopfte, und gleich darauf trat der Butler ein.
„Ich bedauere, dass ich stören muss, Mylord, aber ein Mann möchte Sie umgehend sprechen, der von Mr. Saye mit einer Nachricht hergeschickt wurde.“ Sofort stand Marcus auf. „Richten Sie Dale aus, er solle mir einen Koffer packen. Die Nachricht betrifft bestimmt Miss Dane. Ich habe die Absicht, ihr hinterherzureisen.“ Er beugte sich vor und drückte der Schwester einen Kuss auf die erhitzte Wange.
„Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Ich habe mir deine Vorwürfe zu Herzen genommen. Was du gesagt hast, ist vielleicht wahr. Ich bin jedoch überzeugt, dass ich die Situation noch retten kann.“
In der Halle wurde ihm von dem Boten mitgeteilt, Miss Dane sei nach London gefahren. Sogleich erteilte er den Auftrag, seinen Phaeton anzuspannen und innerhalb der nächsten halben Stunde vor das Portal zu bringen.
Lady Meredith war ihm gefolgt und rief, als sein Kammerdiener den Koffer unter dem Sitz der Kutsche verstaute: „Warte, Marcus!“
„Entschuldige mich bei unseren Gästen, meine Liebe. Sag ihnen, ich sei in dringenden Geschäften nach London gerufen worden.“
„Miss Dane ist also in London?“ fragte Anne und schaute dem Bruder in das ernste Gesicht. „Wie willst du sie finden?“
„Saye ist ihr hart auf den Fersen. Er wird sich merken, wo sie abgestiegen ist, und dann zu mir in die Stadtresidenz kommen. Keine Angst, Anne. Ich werde Miss Dane aufspüren!“
KAPITEL 12
Die Kutsche rumpelte über das Londoner Kopfsteinpflaster und riss Antonia aus den trüben Gedanken, die sie den ganzen Tag hindurch geplagt hatten. Die Reise war ihr unendlich lang vorgekommen, obwohl die Kutsche schnell gefahren war. Antonia hatte nicht geknausert und stets neue Postillione angeheuert sowie die Gespanne gewechselt, sobald die Pferde ermüdet waren.
In der Hoffnung, die Großtante habe keinen Rückfall erlitten und hielte sich in ihrem Stadthaus auf und nicht bei Cousin Hewitt, hatte sie die Postillione angewiesen, sie zur Half Moon Street zu bringen. Aber sie hatte Pech. Der langjährige Butler der Großtante verabschiedete soeben einen rundlichen jungen Herrn. Auf Grund des selbstgefälligen Lächelns, das um die wulstigen Lippen des jungen Mannes lag, hätte Antonia Hewitt Granger, ihren Cousin, überall erkannt. Es freute sie, dass seine Miene sich bei ihrem Anblick änderte.
Sie hatte nie eine gute Beziehung zu ihm gehabt. Er missgönnte ihr die Zuneigung, die seine Großmutter für sie hatte, und war sehr erfreut gewesen, als Antonia nach Hertfordshire abgereist
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