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Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Titel: Echo des Blutes: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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die ich vermisse, gehört auch, dieses Rezept an Lina weiterzugeben.«
    Sie setzte sich wieder hin.
    »Meine Melina war ein wunderbares Mädchen, aber nicht immer sehr clever. Vor allem, wenn es um Männer ging. Genau wie ich. Auf dem Gebiet war ich auch eine Niete. Drei Ehemänner. Alles Taugenichtse.«
    Mrs. Laskaris sah kurz aus dem Fenster.
    »Sie haben einen traurigen Job, nicht wahr?«, sagte sie dann.
    »Manchmal«, erwiderte Byrne.
    »Gehen Sie oft zu Menschen wie mir und bringen ihnen schlechte Nachrichten?«
    Byrne nickte.
    »Manchmal auch gute?«
    »Manchmal.«
    Annas Blick wanderte über die Wand neben dem Herd. Dort hingen drei Bilder von Lina – mit drei, mit zehn und sechzehn Jahren.
    »Wenn ich manchmal auf dem Markt stehe, meine ich, ich würde sie sehen. Aber nicht als Jugendliche oder als junge Frau. Als kleines Mädchen. Wissen Sie, dass kleine Mädchen manchmal in ihrer eigenen Welt leben, wenn sie zum Beispiel mit ihren Puppen spielen? Und dass Puppen für sie wie richtige Menschen sind?«
    Byrne wusste das nur zu gut.
    »Meine Lina war auch so. Sie hatte einen Freund, den gab es gar nicht.«
    Anna ließ ihre Gedanken einen Augenblick schweifen und warf die Hände hoch. »In Griechenland haben wir ein Sprichwort. Das Herz, das liebt, ist immer jung. Sie war mein einziges Enkelkind. Ich werde nie mehr ein anderes haben. Es gibt niemanden mehr, den ich lieben kann.«
    Anna Laskaris umarmte Byrne an der Tür. Heute duftete sie nach Zitronen und Honig. Byrne hatte das Gefühl, als wäre sie kleiner geworden. Das kommt von dem Kummer, dachte er. Der Kummer braucht viel Platz.
    »Es macht mich nicht glücklich, dass dieser Mann tot ist«, sagte Anna Laskaris. »Gott wird einen Platz für ihn finden, den er verdient hat. Darüber zu befinden steht uns nicht zu.«
    Byrne ging zu seinem Van und stieg ein. Er warf noch einen Blick aufs Haus. Im Fenster stand schon eine neue Kerze.
    Er war im Nebel des Delaware aufgewachsen und konnte dort seit jeher am besten nachdenken. Als er zu dem Fluss fuhr, dachte Kevin Francis Byrne über die Dinge nach, die er getan hatte, die guten wie die schlechten.
    Du weißt es.
    Er dachte an Christa-Marie und die Nacht ihrer ersten Begegnung. Er dachte an das, was sie zu ihm gesagt hatte. Er dachte an seine Träume und daran, dass er nachts immer um 2.52 Uhr aufwachte, exakt zum Zeitpunkt von Christa-Maries Verhaftung, durch die ihr Leben vollkommen aus den Fugen geraten war.
    Du weißt es.
    Doch es war nicht dieses Du weißt es . Er hatte die Aufnahme, die er während des Schlafens gemacht hatte, zurückgespult und sie sich aufmerksam angehört. Plötzlich fiel es ihm wieder ein.
    Er hatte Blue Notes gesagt.
    Es ging um die Stille zwischen den Noten, die Zeit, die die Musik brauchte, um nachzuklingen. Es war so, als würde Christa-Marie ihm seit zwanzig Jahren etwas sagen wollen. Byrne spürte tief in seinem Inneren, dass alles mit ihr begonnen hatte. Mit ihr würde auch alles enden.
    Er schaute auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht.
    Halloween.

D RITTER T EIL
R ONDO

70.
    S ONNTAG , 31. O KTOBER
    Ich lausche den Geräuschen der Stadt, die erwacht, dem Brummen der Busse, dem Zischen der Kaffeemaschinen, dem Läuten der Kirchenglocken. Ich beobachte, wie das Laub durch die Luft wirbelt und zu Boden fällt. Ich spüre die kühle Herbstluft, den schüchternen Vorboten des Winters.
    Ich stehe im Innenhof des Rathauses, an der Kreuzung Broad und Market Street, die von beiden Flüssen etwa gleich weit entfernt liegt. Dies ist der Mittelpunkt der Stadt, hier schlägt das Herz von Philadelphia. Ich drehe mich auf der Stelle und schaue die beiden Hauptverkehrsstraßen hinunter, die sich quer durch meine Stadt ziehen. Auf beiden wird man heute von mir hören.
    Die Toten werden lauter. Dies ist ihr Tag. Es ist immer ihr Tag gewesen.
    Ich schlage den Kragen hoch, und als ich mich in das Getümmel stürze, spüre ich das angenehme Gewicht der Mordinstrumente in meinem Rücken.
    Was für eine Sarabande!
    Klipp-klapp, klipp-klapp.

71.
    Wie ein riesiger Raubvogel saß der gewaltige Gebäudekomplex oben auf der Anhöhe. An den Mittelteil, der vermutlich vier Stockwerke hoch und wohl dreißig Meter breit war, schlossen sich auf beiden Seiten weit ausladende Flügel an. Sie waren beide mit einer Reihe von Türmen versehen, die in den Morgenhimmel ragten. Die Anlagen rund um das Gebäude, die einstmals sorgfältig gepflegt wurden und in denen prächtige Hemlocktannen, Rotkiefern und

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