Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
nicht. Niemand bewegte sich.
Schließlich standen Nick Palladino und Josh Bontrager auf, durchquerten langsam den Raum und überzeugten sich davon, dass mit Stansfield so weit alles in Ordnung war. Im Grunde interessierte es keinen. Niemand in diesem Raum hätte bestritten, dass er das selbst herausgefordert hatte. Es warf aber kein gutes Licht auf die Mordkommission, wenn einer ihrer Kollegen mitten im Büro ausgestreckt auf dem Boden lag. Zeugen, Verdächtige, Staatsanwälte und Verteidiger liefen Tag und Nacht durch diesen Raum.
Jessica warf Byrne einen Blick zu. Er rieb sich die Fingerknöchel und nahm seinen Mantel und seine Schlüssel. Als er an der Tür stand, drehte er sich noch einmal um und sagte an Jessica gewandt: »Ruf mich an, wenn er tot ist.«
69.
Das Haus in der Neunzehnten Straße in der Nähe der Callowhill Street war sehr gepflegt. Unter dem Fenster stand ein Blumenkasten aus Kiefernholz, und in einem Fenster brannte eine Kerze.
Byrne klingelte. Es dauerte kaum eine Minute, bis die Tür geöffnet wurde. Anna Laskaris stand mit einer Schürze und einem Löffel in der Hand im Türrahmen. Sie schaute ihn verwirrt und überrascht an.
»Mrs. Laskaris, ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern. Ich bin …«
»Gott mag mir mein jugendliches Aussehen und die Kraft, weiter als drei Straßen zu gehen, genommen haben, aber er hat mir nicht den Verstand geraubt. Noch nicht jedenfalls. Ich erinnere mich an Sie.«
Byrne nickte.
»Kommen Sie rein.«
Sie hielt ihm die Tür auf. Byrne betrat das Haus. Das Innere des gepflegten Hauses war makellos sauber. Überall lagen handgearbeitete Decken: Spitzendeckchen, Wolldecken und Überwürfe. Die Luft war erfüllt von verlockenden Düften.
Anna Laskaris bot ihm einen Platz an dem kleinen Küchentisch an und stellte ihm eine Tasse starken Kaffee hin.
Byrne streute Zucker in den Kaffee, rührte ihn um und ließ Zeit verstreichen. Schließlich sprach er das Thema an, das ihn hergeführt hatte. »Es ist nicht einfach, es Ihnen zu sagen, Ma’am. Eduardo Robles ist tot.«
Anna Laskaris starrte ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. Dann bekreuzigte sie sich. Ein paar Sekunden später stand sie auf und ging zum Herd. »Jetzt essen wir erst einmal.«
Byrne hatte gar keinen richtigen Hunger, aber die Einladung abzulehnen war undenkbar. Kurz darauf stand eine Schale Lammeintopf vor ihm, und Mrs. Laskaris zauberte auch noch einen Korb mit frischem Brot auf den Tisch. Byrne begann zu essen.
»Es schmeckt fantastisch.«
Anna Laskaris verzog das Gesicht, als hätte sie niemals daran gezweifelt. Sie setzte sich gegenüber von Byrne hin und sah ihm beim Essen zu.
»Sind Sie verheiratet?«, fragte sie. »Sie tragen keinen Ring, aber heutzutage …«
»Nein«, sagte Byrne. »Ich bin geschieden.«
»Haben Sie eine Freundin?«
»Im Augenblick nicht.«
»Welche Pullovergröße haben Sie?«
»Ma’am?«
»Pullover. Strickjacke. Sweatshirt. Ihre Pullovergröße?«
Byrne musste darüber nachdenken. »Um ehrlich zu sein, kaufe ich mir nicht oft Pullover.«
»Okay. Versuchen wir es andersherum. Wenn Sie sich einen Anzug kaufen, wie zum Beispiel diesen wunderschönen Anzug, den Sie heute tragen, welche Größe?«
»Normalerweise 110.«
Anna Laskaris nickte. »Okay. Also vermutlich XXL.«
»Vielleicht.«
»Was ist Ihre Lieblingsfarbe?«
Byrne hatte im Grunde gar keine Lieblingsfarbe, und er dachte auch nie darüber nach. Es gab jedoch Farben, die er nicht mochte. »Hm, egal, aber kein Pink und kein Gelb.«
»Lila?«
»Lila auch nicht.«
Anna Laskaris schaute auf ihren großen Strickkorb und dann zurück zu Byrne. »Grün, glaube ich. Sie sind Ire, nicht wahr?«
Byrne nickte.
»Ein schönes Grün.«
Byrne aß den Eintopf. Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass er nicht in einem Restaurant oder aus einem Styropor-Becher aß. Anna starrte in die Ferne und dachte vermutlich an andere Zeiten in diesem Haus und an andere Zeiten an diesem Tisch, bevor Menschen wie Byrne großen Kummer in ihr Haus gebracht hatten, als würden sie ein Paket abliefern. Nach ein paar Minuten stand sie langsam auf. Sie wies mit dem Kinn auf Byrnes leere Suppenschale. »Nehmen Sie noch etwas?«
»Oh, nein. Ich bin satt. Es hat großartig geschmeckt.«
Anna Laskaris ging um den Tisch herum, nahm seine Schale und stellte sie in die Spüle. Byrne sah den Kummer in ihren Augen.
»Das ist ein Rezept meiner Großmutter. Sie hatte es von ihrer Großmutter. Zu den vielen Dingen,
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