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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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schließlich alle sicher wieder zu Hause ankämen.
     
    Drei Meilen weiter in Strathkinness hatte das neue Jahr in einer ganz anderen Stimmung begonnen. Hier gab es keine Weihnachtsdekorationen. Ein Stapel Karten lag unbeachtet auf einem Regal. Der Fernseher, der sonst den ersten Januar willkommen hieß, stand still in der Ecke. Eileen und Archie Duff saßen zusammengekauert auf ihren Stühlen, die Gläser mit Whisky neben sich hatten sie nicht angerührt. Schwer lasteten in der drückenden Stille Trauer und Verzweiflung auf ihnen. Die Duffs wussten im Grunde ihres Herzens, dass sie nie wieder ein frohes Neujahr erleben würden. Für immer würden die Feiertage vom Tod ihrer Tochter gezeichnet sein. Andere mochten feiern, sie konnten nur trauern. In der Küche saßen Brian und Colin zusammengesunken auf zwei mit Plastik überzogenen Küchenstühlen. Anders als ihre Eltern hatten sie kein Problem damit, das neue Jahr mit Trinken zu begrüßen. Seit Rosies Tod fiel es ihnen leicht, den Alkohol in sich hineinzuschütten, bis sie kaum noch ihren Mund fanden. Ihre Reaktion auf die Tragödie war nicht, sich zurückzuziehen, sondern sich noch offener auszuleben. Die Gastwirte von St.
    Andrews hatten sich mit den betrunkenen Eskapaden der Brüder Duff abgefunden. Sie hatten auch kaum eine Wahl, es sei denn, sie setzten sich dem Zorn ihrer launischen Kundschaft aus, die fand, Colin und Brian verdienten alle Sympathie.
    Heute Abend hatten sie die Flasche Bells schon mehr als zur Hälfte geleert. Colin sah auf seine Uhr. »Wir haben es verpasst«, sagte er.
    Brian sah ihn müde an. »Warum sollte mich das interessieren?
    Rosie wird es jedes Jahr verpassen.«
    »Ja. Aber irgendwo da draußen hebt jetzt wahrscheinlich einer, wer auch immer sie umgebracht hat, sein Glas darauf, dass er damit durchgekommen ist.«
    »Sie waren es. Ich bin sicher, dass sie es waren. Siehst du das Bild? Hast du schon mal jemand gesehen, der nach einem schlechteren Gewissen aussah?«
    Colin leerte sein Glas, griff nach der Flasche und nickte zustimmend. »Es war niemand anders da. Und sie sagten, sie hätte noch geatmet. Wenn sie es also nicht waren, wohin ist dann der Mörder verschwunden? Er hat sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst.«
    »Wir sollten uns zum neuen Jahr was vornehmen.«
    »Was zum Beispiel? Du willst doch nicht wieder das Rauchen aufgeben, oder?«
    »Ich meine es ernst. Wir sollten uns ein feierliches Versprechen geben. Es ist das Mindeste, was wir für Rosie tun können.«
    »Was willst du damit sagen? Was für ein feierliches Versprechen?«
    »Es ist doch ganz einfach, Col.« Brian füllte sein Glas und hielt es erwartungsvoll hoch. »Wenn die Bullen kein Geständnis erreichen, dann werden wir es tun.«
    Colin überlegte einen Moment. Dann hob er sein Glas und stieß mit seinem Bruder an. »Wenn die Bullen kein Geständnis erreichen, dann schaffen wir’s.«
     
    11
    ie wuchtigen Überreste von Ravenscraig Castle stehen auf einem felsig
    D
    en Vorgebirge zwischen zwei sandigen
    Buchten und bieten einen eindrucksvollen Blick auf den Meeresarm des Forth und seine Umgebung. Gegen Osten hin gewährt eine lange Steinmauer Schutz gegen Freibeuter und das Meer. Sie verläuft bis zum Ankerplatz von Dysart, der jetzt weitgehend versandet ist, einst aber ein wohlhabender und blühender Hafen war. An der Spitze der Bucht, die einen Bogen von der Burg weg beschreibt, hinter dem Taubenschlag, in dem immer noch Tauben und Seevögel nisten, wo die Mauer wie ein V verläuft, gibt es noch einen kleinen Wachturm mit einem steilen geteerten Dach und schmalen Schlitzen in den Mauern.
    Seit ihrer frühen Jugendzeit hatten die Laddies fi’ Kirkcaldy dieses Gebiet als ihr persönliches Reich betrachtet. Eine der besten Möglichkeiten, sich der Überwachung durch Erwachsene zu entziehen, waren immer die Ausflüge gewesen. Sie galten als gesund und würden sie wohl kaum auf die schiefe Bahn führen, glaubte man. Wenn sie also sagten, sie wollten den ganzen Tag die Küste und die Wälder erkunden, wurden sie immer großzügig mit Picknickproviant ausgestattet. Manchmal gingen sie in entgegengesetzter Richtung an Invertiel und der hässlichen Grube von Seafield vorbei in Richtung Kinghorn.
    Aber meistens kamen sie zur Burg Ravenscraig, nicht zuletzt weil sie nicht weit vom Eismann im nahen Park entfernt war. An heißen Tagen lagen sie im Gras und gaben sich wilden Phantasien über ihr Leben in der näheren und auch der fernen Zukunft hin. Immer wieder

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