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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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faszinierend. Zuerst die Recherche, die wissenschaftlichen Grundlagen, und dann der Sprung ins Ungewisse, wo man mit dem Künstler und dem, was er vermitteln wollte, auf eine Wellenlänge kommen muss. Es ist aufregend, Alex.«
    Bevor er antworten konnte, stießen die anderen einen Schrei aus. »Er hat’s geschafft!«
    Alex drehte sich um und sah Weird vor den grauen Mauern des schottischen Grafschaftsgerichts, wo er wie eine steife Vogel-scheuche die Arme kreisen ließ. Im Laufen stieß er einen Juchzer aus. Alex schaute auf die Uhr. Nur noch eine Minute. Dann war Weird bei ihnen und umarmte sie grinsend. »Ich hab einfach gedacht, das ist doch zu blöd. Ich bin ein erwachsener Mensch, und mein Vater versucht, mich an Silvester von meinen Freunden fern zu halten. Was soll das?« Er schüttelte den Kopf. »Wenn er mich rausschmeißt, kann ich doch bei dir kampieren, Alex?«
    Alex klopfte ihm auf die Schulter. »Warum nicht? Dein furchtbares Schnarchen bin ich ja gewöhnt.«
    »Seid mal ruhig«, rief Ziggy mitten in den Krach hinein. »Die Glocken.«
    Sie wurden still und versuchten, die scheppernden Schläge von Big Ben aus Ziggys Transistorradio zu hören. Als die Glockenschläge begannen, sahen sich die Laddies fi’ Kirkcaldy an. Sie hoben die Arme, als würden sie mit einem einzigen Faden hochgezogen, und legten beim letzten Schlag die Hände übereinander. »Frohes neues Jahr«, riefen sie im Chor. Alex sah, dass seinen Freunden genau wie ihm selbst die Rührung wie ein Kloß in der Kehle saß.
    Dann lösten sie sich voneinander, und der Augenblick war vorbei. Er wandte sich zu Lynn um und küsste sie sittsam auf die Lippen. »Frohes neues Jahr«, sagte er.
    »Ich glaube, das wird es vielleicht«, sagte sie mit leicht geröteten Wangen.
    Ziggy machte die Flasche Grouse auf und ließ sie herumgehen.
    Die Gruppen auf dem Platz fingen schon an, sich aufzulösen, sie gingen aufeinander zu und wünschten mit nach Whisky riechendem Atem und herzlichen Umarmungen wildfremden Leuten ein gutes neues Jahr. Einige, die sie von der Schule her kannten, bedauerten sie wegen ihres Pechs, im Schnee auf das sterbende Mädchen gestoßen zu sein. In ihren Worten lag keine böse Absicht, aber Alex sah an den Blicken seiner Freunde, dass es ihnen genauso unerträglich war wie ihm. Eine Gruppe von Mädchen improvisierte einen Volkstanz unter dem Weihnachts-baum. Alex schaute sich um und konnte den Gefühlen, die ihn erfüllten, keinen Ausdruck verleihen. Verstohlen nahm Lynn seine Hand. »Woran denkst du, Alex?«
    Er schaute auf sie hinunter und zwang sich zu einem müden Lächeln. »Ich habe gerade gedacht, wie leicht alles wäre, wenn die Zeit jetzt stehen bliebe. Wenn ich St. Andrews nie wieder sehen müsste, solange ich lebe.«
    »Es wird nicht so schlimm, wie du denkst. Du hast ja sowieso nur noch sechs Monate, und dann bist du frei.«
    »Ich könnte an den Wochenenden kommen.« Die Worte waren heraus, bevor Alex wusste, dass er sie sagen wollte. Sie wussten beide, was er meinte.
    »Das würde mir gefallen«, sagte sie. »Aber meinem grässlichen Bruder sagen wir es nicht.«
    Wieder ein Jahresanfang und ein Neujahrspakt.
     
    Im Polizeiclub in St. Andrews war schon eine Weile gebechert worden. Der Klang der Glocken verlor sich fast im Lärm der derben Silvestertänze. Das Ungestüm derjenigen, die sonst unter berufsbedingten Zwängen litten, wurde nur durch die Anwesenheit der Ehefrauen, Verlobten und anderer Frauen, die man im Interesse der Alleinstehenden zum Kommen hatte verleiten können, gedämpft.
    Zum wilden Tanz des Dashing White Sergeant aufgestellt, stand Jimmy Lawson mit vor Anstrengung rotem Gesicht zwischen den beiden Frauen mittleren Alters aus der Telefonzentrale der Wache. Die hübsche Sprechstundenhilfe des Zahnarztes, mit der er gekommen war, hatte sich vor seiner offenbar grenzenlosen Begeisterung für schottische Volkstänze erschöpft auf die Toilette geflüchtet. Aber das war ihm egal. An Silvester gab es immer genug Frauen auf dem Tanzboden, und Lawson ließ gerne etwas Dampf ab. Das war ein Ausgleich für die Anspannung, die seine Arbeit mit sich brachte. Barney Maclennan lehnte zwischen Iain Shaw und Allan Burnside, die beide einen großen Whisky in der Hand hielten, an der Bar. »Oh Gott, schaut euch das an«, stöhnte er. »Wenn sie jetzt den Dashing White Sergeant spielen, kann da Strip the Willow weit sein?«
    »Bei solchen Gelegenheiten ist es gut, keine Frau zu haben«, sagte Burnside. »Niemand

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