Echo Einer Winternacht
zerrt dich von deinem Glas weg auf den Tanzboden.«
Maclennan sagte nichts. Er wusste nicht mehr, wie oft er schon versucht hatte, sich einzureden, dass er ohne Elaine besser dran war. Aber länger als ein paar Stunden hatte er es nie geschafft, daran zu glauben. Letztes Silvester waren sie noch zusammen gewesen, aber nur noch so gerade eben. Denn sie hatten weniger entschieden aneinander festgehalten als die auf der Tanzfläche herumwirbelnden Paare. Kaum waren ein paar Wochen des neuen Jahres um, da hatte sie ihm gesagt, sie ginge jetzt. Sie hätte es satt, dass sein Beruf ihm immer wichtiger sei als sie.
Plötzlich erinnerte er sich an eine ihrer wortreichen Beschwerden und erkannte die darin liegende Ironie. »Es würde mich ja nicht stören, wenn du wichtige Fälle wie Vergewaltigungen oder Morde zu lösen hättest. Aber du verbringst ja endlose Stunden mit lächerlichen Einbrüchen und gestohlenen Autos da draußen. Was meinst du, wie man sich fühlt, wenn man vom Austin Maxi eines alten Knackers auf den zweiten Platz verwiesen wird?« Na ja, ihr Wunsch war in Erfüllung gegangen. Jetzt, ein Jahr später, steckte er mitten im größten Fall seines Lebens. Und kam dabei keinen Schritt weiter. Jede Ermittlungsrichtung, die sie verfolgten, hatte sich als Sackgasse erwiesen. Kein einziger Zeuge hatte Rosie später als Anfang November mit einem Mann gesehen. Der geheimnisvolle Fremde hatte Glück gehabt, dass es ein harter Winter war und die Leute sich mehr für das vor ihnen liegende Stück Weg interessierten als dafür, ob sich eine mit jemandem herumtrieb, von dem sie besser die Finger gelassen hätte. Er hatte Glück, die Polizei aber Pech. Man hatte ihre früheren Freunde ausfindig gemacht. Einer hatte sie wegen des Mädchens fallen lassen, mit dem er jetzt noch ging. Er hatte kein Motiv gehabt, etwas gegen seine Exfreundin zu unternehmen. Mit dem anderen hatte Rosie Anfang November Schluss gemacht, und zuerst schien er vielversprechend. Aber er hatte ein vollkommen sicheres Alibi für die Nacht, die in Frage kam. Er war bis nach Mitternacht auf der Party seiner Firma gewesen, dann mit der Sekretärin seines Chefs nach Hause gegangen und hatte den Rest der Nacht mit ihr verbracht. Er gab zu, dass er sich geärgert hatte, als Rosie ihre Beziehung damals beendete, aber, ehrlich gesagt, habe er viel mehr Spaß mit einer Frau, die mit ihrer Gunst ein bisschen großzügiger umgehe. Als er von Maclennan bedrängt wurde, was er damit meine, besann er sich auf seinen männlichen Stolz und schwieg. Aber unter Druck gab er dann zu, dass sie nie wirklich Geschlechtsverkehr gehabt hatten. Sie hatten allerlei Spielchen getrieben, Rosie war nicht prüde. Aber den letzten Schritt wollte sie nicht tun. Er murmelte etwas von
»einen blasen« und mit der Hand stimulieren, sagte aber, das wäre es dann auch gewesen. Brian hatte also sozusagen recht gehabt, als er sagte, seine Schwester sei ein anständiges Mädchen. Maclennan begriff, dass Rosie in der Rangordnung dieser Dinge recht weit von einem leichten Mädchen entfernt war. Aber auch die genaue Kenntnis ihrer sexuellen Neigungen brachte ihn der Entdeckung des Mörders nicht näher. Tief im Inneren wusste er, dass aller Wahrscheinlichkeit nach der Mann, den sie an jenem Abend getroffen hatte, auch der war, der sich von ihr das nahm, was er wollte, und ihr dann schließlich auch noch das Leben genommen hatte. Es mochte Alex Gilbey oder einer seiner Freunde gewesen sein. Aber vielleicht auch nicht.
Seine Kollegen argumentierten, dass es einen guten Grund dafür geben könne, weshalb ihr Freund sich nicht gemeldet hatte.
»Vielleicht ist er verheiratet«, hatte Burnside gesagt.
»Vielleicht hat er Angst, dass wir ihm etwas anhängen«, hatte Shaw bissig hinzugefügt. Maclennan fand, dass dies alles vernünftige Erklärungen waren. Aber sie änderten seine persönliche Überzeugung nicht. Ganz abgesehen von Jimmy Lawsons Theorien über satanische Riten. Keinem der Pfarrer, mit denen Burnside gesprochen hatte, war so etwas in der Gegend auch nur andeutungsweise zu Ohren gekommen. Und Maclennan hielt sie für die beste Quelle, was solche Informationen anging. In gewisser Weise war er erleichtert, denn er konnte keine falschen Spuren brauchen. Er war sicher, dass Rosie ihren Mörder gekannt hatte und voller Vertrauen mit ihm in die Nacht hinausgegangen war.
Genau wie Tausende anderer Frauen überall im Land es heute Abend tun würden. Maclennan hoffte inständig, dass
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