Echt zauberhaft
niemand behauptet, ich hätte euch nicht gewarnt.«
Er hob das Schwert und traf Vorbereitungen für den Angriff.
»Warte«, sagte Herr Zervelatwurst. »Hör nur…«
Laute Stimmen ertönten hinter der Mauer. Irgend jemand schien Anweisungen zu erteilen. Schreie erklangen.
Die beiden Torflügel schwangen langsam auf. Dutzende von Bürgern drehten die Winden.
Cohen ließ das Schwert sinken.
»Ah, sie sind vernünftig geworden.«
Die Horde schnaufte ein wenig, als sie durchs Tor hinkte. Die Menge beobachtete sie stumm. Die Leichen mehrerer Wächter lagen auf dem Pflaster. Viele andere hatten die Helme abgenommen und beschlossen, sich mit sofortiger Wirkung ins Zivilleben zurückzuziehen – dadurch war die Wahrscheinlichkeit geringer, von einem zornigen Mob erschlagen zu werden.
Alle sahen zu Cohen. Erneut bewegten sich Köpfe. Zahllose Blicke klebten an dem Barbaren fest.
Er achtete nicht darauf.
»Und Hubert der Starke?« wandte er sich an Caleb.
»Tot.«
»Unmöglich. War bei bester Gesundheit, als ich ihm vor ein paar Monaten begegnet bin. Wollte mit einem neuen Abenteuer beginnen.«
»Er ist tot.«
»Was ist passiert?«
»Kennst du das schreckliche menschenfressende Faultier von Clup?«
»Das soll doch angeblich den Riesenrubin des verrückten Schlangengottes bewachen, nicht wahr?«
»Nun, das tat es tatsächlich .«
Die Menge teilte sich, um Cohen und seine Gefährten passieren zu lassen. Hier und dort versuchte jemand zu jubeln, doch energisches »Pscht!« brachte die Betreffenden zum Schweigen. Stille herrschte – jene Art von Stille, die Herr Zervelatwurst nur in den heiligsten aller Tempel gehört hatte. 25
Nach einer Weile flüsterte es. Die leisen Stimmen wuchsen im Publikum wie Blasen in einem Topf mit heißer werdendem Wasser.
Die Rote Armee. Die Rote Armee.
»Und Organdy Sloggo? Soll sich noch immer im Wiewunderland herumtreiben.«
»Ist an Metallvergiftung gestorben.«
»Wie denn?«
»Bekam drei Schwerter in den Magen.«
Die Rote Armee!
»Und Aufgeschlitzter Mungo?«
»Vermutlich in Skund gestorben.«
»Vermutlich?«
»Man hat nur seinen Kopf gefunden.«
Die Rote Armee!
Die Horde näherte sich nun einem Tor zur Verbotenen Stadt. Die flüsternde Menge folgte ihr.
Auch dieses Tor war geschlossen. Zwei kräftig gebaute Wächter standen davor. Sie wirkten wie Männer, die den Auftrag erhalten hatten, das Tor zu bewachen – und die fest entschlossen waren, ihre Anweisungen zu befolgen, was auch immer geschah. Das Militär verläßt sich sehr auf Soldaten, die ihre Anweisungen befolgen, was auch immer geschieht. Oft lobt man ihre Tapferkeit, in den meisten Fällen posthum.
»Gosbar der Wache?«
»Im Bett gestorben.«
»Nein! Nicht der alte Gosbar!«
»Jeder muß mal ins Bett.«
» Ich muß was anderes«, sagte der Junge Willie. »Und zwar dringend.«
»Erledige das hier an der Mauer.«
»Während all die Leute zusehen? Das ist nicht… zivilisiert.«
Cohen schritt zu den Wächtern.
»Ich meine es ernst, klar?« sagte er. »Würdet ihr lieber sterben, als euren Kaiser zu verraten?«
Die Wächter blickten starr geradeaus.
»Na schön, wie ihr wollt.« Cohen zog das Schwert – und zögerte, als ihm etwas einfiel.
»Was ist mit dem Großen Zertrümmerer?« fragte er. »Der Bursche war so zäh wie das Leder alter Stiefel.«
»Einem Fisch zum Opfer gefallen«, sagte Caleb.
»Der Zertrümmerer? Einmal hat er sechs Trolle getötet, und zwar nur mit…«
»Ist an einer Gräte in seinem Brei erstickt. Ich dachte, du hättest davon gehört. Tut mir leid.«
Cohen starrte ihn groß an. Dann blickte er auf sein Schwert und dann zu den Wächtern. Einige Sekunden war es so still, daß man nur das Prasseln des Regens hörte.
»Wißt ihr, Jungs…« In seiner Stimme lag eine Müdigkeit, die in Herrn Zervelatwurst tiefe Trauer weckte, obgleich dies ein Augenblick des Triumphes war. »Ich wollte euch den Kopf abschlagen, aber… was hat das für einen Sinn? Ich meine, wenn man genau darüber nachdenkt, muß man sich fragen: Warum die Mühe? Macht’s irgendeinen Unterschied?«
Die Wächter blickten noch immer starr geradeaus, aber ihre Augen waren jetzt ein wenig größer.
Herr Zervelatwurst drehte sich um.
»Früher oder später sterbt ihr ohnehin«, fuhr Cohen fort. »Und damit hat sich’s. Man lebt das Leben, so gut es geht – und anschließend spielt’s keine Rolle mehr, weil man tot ist…«
»Äh… Cohen?« warf Herr Zervelatwurst ein.
»Ich meine, seht mich an.
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