Echte Männer
ersten Schock in den Busen biss. Die Narbe seiner Schneidezähne habe ich immer noch, und bis zum heutigen Tag kann ich keine Ravioli essen.
Nach diesem Erlebnis hat sich meine Begeisterung für Sex an ungewöhnlichen Orten verändert. Ungewöhnlich dürfen sie immer noch sein, aber nicht beweglich. Undrückengerecht hätte ich es auch gern, denn einer Frau, die zusammengeklappt ist wie ein Schweizer Taschenmesser, fehlt wirklich jede Anmut. Einige Jahre später: neuer Mann, neuer Ort. Wir waren das erste Mal zusammen im Urlaub und hatten uns den Balkon ausgeguckt. Unter uns tobte eine Party am Pool, der Balkon war von den Nachbar-Apartments aus nicht einsehbar, wundervoll. Wir fummelten uns warm und fickten ein bisschen in der Hündchenstellung, bis mir meine Kniescheiben zu schaffen machten und ich mich auf den Rücken drehen wollte. Hätte ich das bloß gelassen. Denn als ich so dalag und rhythmisch gestoßen in den sternenübersäten Mittelmeerhimmel sah, sah ich auch sie. Die Truppe leider nicht ganz betrunkener Iren auf dem Balkon schräg rechts über uns. Manche mit Fernglas bewaffnet, andere wie im Delirium grölend mit Smileygesichtern, eine Horde Paviane, die nach langer Dürre eine Banane entdeckt hatte. Leider gehörte die meinem Freund und schrumpfte augenblicklich auf Cornichongröße, als ich ihn auf unsere Fans aufmerksam machte. Wir versuchten so schnell es ging ins Zimmer zu flüchten, und ich stieß mir im Wegrobben die ohnehin lädierten Kniescheiben an der Schiebetür-Umrandung. Dem Arzt erzählte ich, ich sei eine begeisterte Yoga-Anhängerin, und er nickte verständnisvoll und murmelte etwas von gesundem Geist in gesundem Körper.
So schnell, schwor ich mir, würde ich mich nicht mehr in der Öffentlichkeit nackig machen und hatte deshalb auch keinerlei Bedenken, als mich ein Blinddate fragte, ob ich zu unserer Dinnerverabredung nicht ohne Höschen in das Edelrestaurant kommen wolle. Wir saßen uns in perfektem Abstand gegenüber, die Tischdecken warenlang und schwer, er litt nicht unter Fußgeruch und war mit seinem großen Zeh ausgesprochen artistisch. Er war der Beowulf der Fußerotik. Schon während der gratinierten Krebse war ich feucht wie Nordseeschlick, und beim zweiten Glas Champagner floss ich fast über, während sein Zeh meinen Kitzler verwöhnte. Ich kippte ein bisschen mit dem Stuhl nach hinten und verlagerte das Gewicht nur eine Winzigkeit, um den Massagewinkel von wunderbar in ekstatisch zu verändern, als der Stuhl unter mir nachgab und ich mit einem comicartigen Katschumpf hinterrücks auf den Boden aufschlug. Göttinseidank war ich durch den Aufprall so benommen, dass ich gar nicht merkte, dass mein weiter Minirock mitgeweht war und sich meine Möse und die vorbeigetragene Crème brûlée Hallo sagten. Das hat mir der Kellner erzählt, als er mir in den Mantel half und mich informierte, dass ich mir in Zukunft bitte ein anderes Lokal für meine Dates aussuchen solle. Sobald heute mein damals ausgerenkter Nackenwirbel knirscht, muss ich an gratinierte Krebse denken und nehme die Knie zusammen. Dass man durch Schaden klug wird, mag ja sein, aber es gibt so viele Möglichkeiten, zu Schaden zu kommen, dass man mit dem Klugwerden ein ganzes Leben verbringen kann. So habe ich zum Beispiel inzwischen gelernt, dass man keinesfalls während einer Familienfeier dem Freund einen blasen sollte, während der nostalgisch auf seinem alten Hochbett sitzt. Weil er sich nämlich, sobald Tante Mechthild hereinkommt, dermaßen erschreckt, dass er vom Bett rutscht und mich unter sich begräbt (verstauchtes Handgelenk). Auch sollte man sich nicht zu zweit in einer Badewanne tummeln, in der sich schon ein Erwachsener fühlt wie lebendig eingetuppert (Bluterguss an der Hüfte),und auch im nicht benutzten Gymnastikraum eines Hotels sollte man sich keineswegs an eine durchaus stabil aussehende Reckstange hängen, um es im Stehen zu treiben, weil die garantiert zusammenbricht und einem auf den Kopf schlägt (Platzwunde), und zwar noch, bevor es einem gekommen ist.
Müssen es also unbedingt ungewöhnliche Orte beim Sex sein? Ganz klar ja. Hin und wieder. Zwar ist langweiliger Sex auch auf der Rolltreppe des Einkaufszentrums oder in der Warteschlange vor dem Vatikan langweilig. Aber normal guter Sex bekommt in einer neuen Umgebung einfach einen Extrakick, und Sexblessuren muss man stolz wie eine nubische Kriegerin ertragen. Außerdem ist es zu Hause auch nicht ungefährlich. Da wird mir als Belohnung
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