Ed King
erinnerten. Was sollte das Ganze überhaupt? Warum hatte man sie in diese surreale Welt transportiert? Tina klammerte sich ängstlich an sein Hosenbein, und Barry blickte erschrocken um sich. Nur das neue Au-pair lehnte sich zurück und reckte seine mädchenhaften Brüste dem falschen Himmel entgegen. Dann ließ es sie sinken, und alle vier drängten sich aneinander wie eine von Außerirdischen entführte Familie in einem B-Movie. Das Publikum musste noch mehr von Man in Space with Sounds ertragen – Sirenen, elektronisches Fiepen, disharmonische Streicher und Bläser; vieles davon kam Walter aus den Horrorfilmen mit Vincent Price bekannt vor –, bis zuletzt das Bild einer sich ängstlich aneinanderkauernden Familie in einem Atombunker auf einen der grotesk verformten Würfel projiziert wurde. Das war zu viel für Tina, die sich die Augen zuhielt. Walter überlegte, warum die Organisatoren grünes Licht für »Chancen und Gefahren der Welt von morgen« gegeben hatten, weil es, was immer es auch sonst sein mochte – außer der düsteren Zukunftsvision eines durchgeknallten Klugscheißers –, in seinen Augen schlichtweg verkehrt war. Aufs Unterbewusste zielend, dämonisch, Ängste schürend, alles das traf zu, aber am besten beschrieb es das Wort verkehrt . »Das hätten wir wissen sollen, bevor wir uns angestellt haben«, dachte er verärgert. »Man hätte uns warnen müssen.«
Auf den Würfeln erschien jetzt ein Bild über dem anderen, kaleidoskopisch, flüchtig, verwirrend, dissoziativ – Großflughäfen, Einschienenbahnen, die Akropolis, ein Atompilz, nachdem zuvor noch einmal die armselige, in ihrem Schutzkeller kauernde Familie gezeigt worden war, diesmal von JFK ermahnt, der sie und alle anderen Amerikaner mit seinem distinguierten Bostoner Akzent dazu aufforderte, mit Hilfe der Technologie eine bessere Welt zu erschaffen.
Die halluzinatorische Reise durch die Apokalypse war beendet, und Diane sagte nur: »Das war spitze.«
»Das war ein Albtraum«, entgegnete Walter. »Bloß raus hier.«
Draußen beruhigte ihn die reale Welt, und ganz offenbar erging es seinen Kindern ebenso. Alle atmeten erleichtert die sommerliche, von Bratfett und Verheißung erfüllte Kirmesluft ein. Im Imbisspavillon kaufte er für alle Orangensaft, den die Kinder und Diane mit doppelten Strohhalmen tranken, während er seinen extragroßen Becher hastig hinunterstürzte und danach einen Corn Dog aß. Lass es einfach geschehen, sagte er sich, als Tina um eine Waffel bettelte, gib dich unbeschwert und großzügig, behalte deinen spitzen Humor (»Wie wär’s mit einem Besuch bei den Girls of the Galaxy?«) und unterhalte alle drei mit harmlosen Späßen. Er war sich sicher, jede Menge Pluspunkte zu sammeln, wenn er sich auf dem feinen Grat zwischen väterlicher Fürsorge und Freundschaft, zwischen Daddy und einem netten Kumpel mit Geld in der Tasche bewegte.
»Girls of the Galaxy?«, fragte Diane.
»Im Programmheft steht, sie lassen sich nackt fotografieren.«
»Und da sind auch Erden-Mädchen dabei?«
»Vor allem Erden-Mädchen.«
»In England wäre so was unmöglich. Absolut undenkbar.«
Walter zuckte mit den Schultern, als wären Mädchen aus der Galaxie, die nackt posierten, in seiner Welt an der Tagesordnung. »Du liebe Güte, wie sagt man bei Ihnen, entzückende junge Dame«, sagte er, »das hier ist nicht England.«
Diane löste ihre Lippen von ihren Strohhalmen. » Entzückend ist altmodisch«, sagte sie, in ihren Becher blickend. »In England würde man vielleicht umwerfend sagen.«
»Also gut, umwerfend.«
» Attraktiv ginge auch – das würde ich gelten lassen.«
Sie gingen weiter, bis die Kinder müde wurden. Es war Zeit, nach Hause zu gehen, doch zuvor besuchten sie noch den Welt-der-Wissenschaft-Pavillon, wo an einem Gerät die Zufallsverteilung demonstriert wurde, das einzige Ausstellungsstück, an dem Walter tatsächlich interessiert war. Es bestand aus einem Glaskasten, in den durch einenSchacht Tausende Penny-Münzen fielen und an parallel verlaufenden Trennleisten vorbeibewegt wurden, um die unvermeidliche Glockenkurve zu bilden. Egal, wo die Pennys in dem Kasten landeten, sie verteilten sich stets in einer gleichmäßigen Kurve (»die Gauß’sche Normalverteilung«, belehrte er die Kinder und Diane), die einem Naturgesetz folgte und daher immer gleich blieb; ein perfekter symmetrischer Hügel, auf dessen Entstehung man sich verlassen konnte. Er war davon so beeindruckt, dass er Diane begeistert
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