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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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verhalten, wie ich es von ihm erwartet hätte, eine Bemerkung, die Scarlet nicht weiter hinterfragen wollte.
    Sie half ihrem erbärmlichen Freund auf die Füße, dann waren sie endlich fort.
    Ich schaute meine Schwester an. »Du hast zwei Klassen übersprungen?«
    Natty knibbelte mit dem kleinen Finger an ihrem Pickel. »Miss Bellevoir und die Leute vom Hochbegabten-Lager hielten das für eine gute Idee, und, na ja …« Ihre Stimme wurde kühl. »Du warst ja nicht da, um das zu besprechen.«
    Meine kleine Schwester in der zehnten Klasse von Holy Trinity?
    Ich setzte mich auf die Couch, die noch nach Gable roch. Kurze Zeit später nahm Natty neben mir Platz. »Ich habe dich vermisst«, sagte sie.
    »Hattest du den Sommer über Albträume?«, fragte ich.
    »Nur zwei, drei oder vier, aber wenn es anfing, habe ich mir immer vorgestellt, ich wäre du. So mutig wie du. Dann habe ich mir gesagt: ›Nein, Natty, du träumst nur. Schlaf weiter!‹ Und das hat funktioniert!« Sie schlang die Arme um mich. »Ich war wirklich sauer auf dich, als ich hörte, dass du in Liberty bist. Ich war so wütend, Annie. Warum hast du das getan?«
    Ich erklärte ihr so aufrichtig wie möglich, was ich mit Charles Delacroix vereinbart hatte, um sie und Leo zu schützen. Sie wollte wissen, ob meine beendete Beziehung zu Win Teil dieser Absprache gewesen sei. Ja, erwiderte ich, so sei es gewesen.
    »Arme Annie! Das war bestimmt der schwerste Teil«, sagte Natty.
    Ich lächelte. »Tja, ich möchte mal wetten, dass es in Liberty nicht ganz so lustig war wie im Sommerlager. Ist auch nicht gerade hilfreich, dass mir alle sagen, wie furchtbar ich aussehe.«
    Natty studierte mein Gesicht. Sie legte die Hände auf meine Wangen, ihre Hände mit den entwaffnend langen Fingern. »Du siehst stark aus, Annie. Mehr nicht. Andererseits warst du immer schon stark.«
    Sie war ein liebes Mädchen, meine Schwester. »Arsley hat gesagt, Win hat eine Freundin?«
    »Das stimmt«, gab Natty zu. »Aber keine Ahnung, Win hat sich sehr verändert. Er wirkt immer so aggressiv. Am ersten Schultag habe ich versucht, mit ihm zu reden, ich wollte wissen, ob er von dir gehört hat, aber er hat mich quasi ignoriert.«
    Ich erinnerte Natty daran, dass sie geschworen hatte, Win Delacroix für den Rest ihres Lebens zu hassen.
    »Da habe ich noch nicht gewusst, dass du wegen Liberty gelogen hast«, gab sie zurück. »Sein Bein scheint jedenfalls wieder in Ordnung zu sein. Er geht immer noch am Stock, aber es ist nicht so schlimm wie bei Gable oder so.«
    »Natty«, sagte ich, »jetzt mal ganz ehrlich: Du hast heute Morgen doch nicht etwa mit Gable geflirtet, oder?«
    »Wo denkst du hin, Anya«, erwiderte sie. »Wir besuchen denselben Mathekurs. Er hat mir eine Geschichte über den Lehrer erzählt. Ich habe nur aus Höflichkeit gelacht.«
    »Gott sei Dank«, sagte ich. Ich hätte mit Sicherheit Probleme, wenn Natty mit Gable Arsley flirten würde. Später beschloss ich, wenn ich etwas länger zurück zu Hause wäre, würde ich mit Natty ein ernstes Wörtchen über Jungs reden müssen.
    Meine Schwester stand auf und gab mir die Hand. »Komm!«, sagte sie. »Wir müssen zum Wochenmarkt. Wir haben so gut wie nichts mehr im Haus. Und Imogen sagt, dreizehn Jahre wäre noch zu jung, um allein einkaufen zu gehen.«
    »Da hat sie recht«, erklärte ich.
    »Aber du warst mit dreizehn allein unterwegs, nicht?«, hakte Natty nach.
    »Ich war schon fast vierzehn. Und das auch nur, weil mich keiner zu sich nehmen konnte.«
     
    Wir fuhren mit dem Bus zum Markt am Union Square. Dort konnte man so gut wie alles kaufen oder tauschen. Toilettenpapier und T-Shirts. Tomaten und Tolstoi. Dinge, die mit ›T‹ anfingen und mit jedem anderen Buchstaben, das gesamte Alphabet hoch und runter. Wie üblich, ging es dort drunter und drüber. Überall Tische und Zelte. Auf jedem noch so kleinen Raum ein Mensch, und all diese Menschen wollten etwas haben, und zwar sofort. Besser noch gestern. Hin und wieder starb jemand bei einer Massenpanik. Nana hatte mir mal erzählt, dass es in ihrer Jugend Lebensmittelgeschäfte gegeben hätte, in denen man alles kaufen konnte, was man wollte und wann immer man wollte. Einkaufengehen war damals ganz einfach. Jetzt hatten wir lediglich schlecht sortierte Ecklädchen. Die besten Chancen hatte man immer noch auf dem samstäglichen Wochenmarkt.
    Auf Nattys und meiner Liste standen:
     
    Waschmittel
    Haarspülung
    Pasta
    eine Thermoskanne
    Obst (falls wir welches

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