Edelmann und Satansfreund
entfernt lag.
Ich hatte meinen Wagen zuvor abgestellt und war den Rest zu Fuß gegangen. Zwar stand hier eine halbfertige Brücke, aber eine Straße gab es nicht. Auch keinen Weg. So hockte ich nahe der Brücke am Rand der Böschung direkt neben einem Kreuz, das einige Umweltschützer aufgebaut und mit einem Spruch versehen hatten.
HIER WURDE ERST GEBAUT UND ANSCHLIESSEND GESAUT.
Irgendwo hatten die Leute recht, denn dieses Ding war in der Tat ein Schandfleck, aber im Moment nicht mein Problem, da ich auf den guten Miller wartete.
Angeblich war er bei seinen Recherchen nach irgendwelchen Kokain-Haien auf eine asiatische Sekte gestoßen, die Menschen entführte, um ihr Blut der Göttin Kali zu weihen.
Mehr wußte ich auch nicht. Einzelheiten wollte er mir an diesem Morgen mitteilen.
Von Miller war weit und breit nichts zu sehen, also machte ich es mir bequem und ließ mich auf einem aus der Böschung wachsenden Stein nieder.
Eigentlich hatte ich es ja gut. Die meisten Menschen hockten um diese Zeit in überfüllten U-Bahnen oder in ihren Autos, mit denen sie unter Garantie in den Stau fuhren. Ich konnte die Sonne genießen und einen Geruch einsaugen, der so gar nichts mit der Londoner Abgashölle zu tun hatte. Hier stank es weder nach Abgasen noch nach irgendwelchen anderen Ausdünstungen. Und selbst der Kanal strömte keinen fauligen Geruch aus. Das würde erst bei schwülem Wetter geschehen, wenn auch die Mücken über dem Wasser tanzten.
Pünktlich war Miller nicht. Als ich den Arm bewegte und auf die Uhr schaute, war er bereits acht Minuten überfällig. Nicht jeder kann ein Pünktlichkeitsfanatiker sein, bei ihm hätte ich mir das schon gewünscht.
Schließlich wollten wir uns hier nicht zu einem Kaffeeklatsch treffen.
Ich wußte nicht einmal, wie dieser Miller aussah. Man hatte mir gesagt, daß er mich finden würde. Wahrscheinlich tauchte er sogar verkleidet bei mir auf. Zuzutrauen waren ihm derartige Mätzchen, denn er wurde nur der Schatten genannt.
Vögel segelten über mir durch die Luft. Hin und wieder sah ich sogar eine Möwe. Diese Tiere waren jedoch in der Unterzahl. Zumeist drang das Gezwitscher von Spatzen an meine Ohren.
Da ich recht hoch auf der Böschung saß, war mein Blick dementsprechend gut. Ich konnte den Kanal überblicken, dessen Wasserfläche sehr dunkel war. Die Farben Grün und Schwarz flössen ineinander. An manchen Stellen schwamm Abfall auf der Oberfläche.
Umweltsünder hatten das Gewässer als wilde Müllkippe zweckentfremdet.
Ein frischer, ein sonniger, einfach ein herrlicher Morgen. Miller brauchte nicht unbedingt hier zu erscheinen. Ich gab ihm noch zwanzig Minuten.
War er bis dahin nicht aufgetaucht, würde ich wieder zum Wagen zurückgehen und langsam in die Stadt fahren, auch wenn es mich nicht gerade dazu trieb, ins Büro zu kommen.
Es herrschte eine angenehme Ruhe. So hörte ich die regelmäßig aufklingenden Geräusche, die sich mir näherten, sofort. Es war ein gleichmäßiges Tappen, begleitet von heftigen Atemzügen. Im ersten Moment war ich irritiert, dann aber mußte ich lächeln, denn ich sah eine blonde Frau, die am Ufer des Kanals entlang joggte.
Es war eine Frau und nicht der verkleidete Miller. Die Sonne blendete mich etwas, so daß ich sie nicht genau erkennen konnte. Es mußte Spaß machen, in dieser Einsamkeit zu joggen, denn hier wurde sie nicht von anderen Läufern gestört, die ihr in die Quere kamen, wie es in den großen Parks der Fall war, wo es richtige Joggerpfade gab.
Die Frau war von links gekommen. Sie entschwand meinem Blickfeld ungefähr dort, wo ich gerade noch die Aufbauten eines alten Boots erkennen konnte.
Ich lehnte mich wieder zurück. Die Sitzfläche war zwar hart, dafür genoß ich den Geruch des Grases auf der Böschung. Das roch schon alles nach einem herrlichen Urlaubsmorgen. Ich schloß die Augen und döste im warmen Sonnenschein tatsächlich vor mich hin.
Bis ich die Stimmen hörte.
Erschreckt und leicht schuldbewußt fuhr ich hoch, warf einen Blick auf die Uhr, dachte sofort an Miller, aber der stand nicht vor mir. Ich war nach wie vor allein. Nur hatte ich mir die Stimmen nicht eingebildet. Sie klangen zwar leise, aber die Leute mußten sich in meiner Nähe befinden.
Männerstimmen.
Dann die einer Frau!
Ich richtete mich auf. Der Klang der Frauenstimme hatte mir nicht gefallen. Er war nicht normal gewesen, sondern hatte sehr hoch und sogar schrill geklungen, fast wie ein Echo.
Ich dachte an die Joggerin. Ein
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