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Edelweißpiraten

Edelweißpiraten

Titel: Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Reinhardt
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Befehl verweigern. Er hat’s noch mal gesagt, aber wir haben’s wieder nicht getan. Da hat er Hordenkeile angeordnet. Der ganze Jungzug sollte über Tom und mich herfallen und uns verprügeln. Eigentlich ist das verboten, aber ab und zu wird’s trotzdem gemacht.
    Nur hat sich die Sache nicht so entwickelt, wie Morken es wollte. Die Jungs aus unserer Straße haben sich nämlich gegen ihn gestellt. Und deshalb hat es keine Hordenkeile gegeben, sondern ’ne wüste Schlägerei zwischen der »Krade« und Morkens Leuten. Der ganze aufgestaute Hass hat sich entladen. Keiner hat mehr an die HJ oder an Dienstränge oder Befehle oder sonst was gedacht.
    Rache kann verdammt süß sein. Wir haben einfach das getan, was wir schon seit Monaten tun wollten.

15. März 1941
    Heute mussten Tom und ich beim Jungstammführer antreten. Wegen der Sache am Mittwoch. Klar, dass sie so was in der HJ nicht einfach hinnehmen. Vor allem, weil es sich längst rumgesprochen hat.
    Als wir angekommen sind, ist Morken schon da gewesen. Hat erzählt, wie’s zu der Sache gekommen ist. Natürlich in den buntesten Farben. Man hätte meinen können, Tom und ich wären Schwerverbrecher. Mindestens Doppelmord oder so was. Danach haben wir selbst was sagen dürfen. Besondere Mühe haben wir uns dabei allerdings nicht gegeben. Weil uns ja sowieso keiner glaubt.
    Der Jungstammführer, so ein komischer blasser Typ, zwei oder drei Jahre älter als wir, hat sich alles angehört. Es wirkte, als wenn er am liebsten kein Aufsehen will. Wahrscheinlich, weil ihm die Sache mit der Hordenkeile peinlich war. Jedenfalls hat er am Ende entschieden, wir sollten uns bei Morken und unserem Jungzug offiziell entschuldigen. Damit wär die Sache erledigt.
    Tom und ich, wir haben uns angeguckt und hatten beide den gleichen Gedanken. Bei Morken entschuldigen? Niemals! Nur über unsere Leiche! Also haben wir uns geweigert.
    Der Jungstammführer, der wahrscheinlich glaubt, er wär besonders milde zu uns gewesen, hat seinen Ohren nicht getraut. Er hat sich vor uns aufgebaut und uns ein paar geknallt. Aber das hat uns in unserer Meinung nur bestärkt. Wir sind stur geblieben. Schließlich hat er uns rausgeworfen, allerdings mit der Ankündigung, er würd sich noch ’ne ganz besondere »Spezialbehandlung« für uns überlegen.
    Als wir nach Hause gegangen sind, haben wir uns überboten mit Vorschlägen, was wir mit Morken anstellen, wenn er uns auf der Straße begegnet. Ihn den Gehsteig vom Schneematsch freilecken lassen? Teeren und federn? Seine Füße einbetonieren und ihn in der Kanalisation versenken? Na, zum Glück hat er sich nicht blicken lassen.

30. März 1941
    Das war’s. Aus und vorbei. HJ ade! Jetzt gibt’s für Tom und mich kein Zurück mehr.
    Seit wir beim Jungstammführer waren, haben wir ein paar »allerletzte« Aufforderungen bekommen, wieder zum Dienst zu erscheinen. Aber wir haben uns nicht daran gehalten. Stattdessen haben wir uns geschworen, nie wieder zur HJ zurückzugehen. Nie mehr durch den Matsch zu kriechen und uns von Typen wie Morken oder sonst wem rumkommandieren zu lassen. Egal, was sie mit uns anstellen.
    Heute, am letzten Märzsonntag, ist die »Verpflichtung der Jugend«. Nach vier Jahren im Jungvolk werden die Junggenossen in die »große« HJ aufgenommen. Stehen da mit ihren Fackeln und hören sich tausend Reden an. Tom und ich müssten eigentlich auch hin. Aber wir wollen nicht mehr.
    Klar haben wir ein schlechtes Gefühl dabei. Alle erzählen, man kriegt tierischen Ärger, wenn man aus der HJ austritt. Aber wer weiß, vielleicht ist es nur Gerede. Vielleicht wollen sie einem nur Angst machen, und am Ende ist es gar nicht so schlimm. Denn was sollen sie schon tun? Umbringen können sie uns nicht, für den Krieg sind wir noch zu jung, zum Wegnehmen haben wir nichts, und an Ohrfeigen sind wir gewöhnt.
    Also: Was bleibt da noch?

3. April 1941
    Gestern ist unser letzter Schultag gewesen. Acht Jahre Volksschule sind vorbei. Tom und ich sind jetzt 14. Alt genug, Führer, Volk und Vaterland als fleißige Arbeitskräfte zu dienen.
    Ich bin froh, aus der Schule raus zu sein, Tom geht’s genauso. Was vor allem an Kriechbaum liegt. Er ist sieben Jahre unser Klassenlehrer gewesen. Am Anfang haben wir noch ’n anderen gehabt. Den konnten wir gut leiden, er war nicht so verbissen. Aber irgendwann war er weg, und dann ist Kriechbaum gekommen. Das muss 34 oder so gewesen sein.
    Unter ihm ist alles anders geworden. Gleich als erste Aufgabe mussten wir

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