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Eden und Orion - Lichtjahre zu dir

Eden und Orion - Lichtjahre zu dir

Titel: Eden und Orion - Lichtjahre zu dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Douglas
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Faust gegen das Holz.
    »Connor! Mach auf!«
    Nichts.
    Ein hektischer Blick über die Schulter. Travis war auf Höhe der Promenadenmitte. Mir blieb nicht mehr als eine Minute.
    »Aufmachen!«, schrie ich.
    Noch ein Blick zurück. Gleich hatte er mich.
    In meiner Verzweiflung rannte ich in Richtung Strand. Auch der war wie ausgestorben; die Boote tanzten auf den hohen Wellen und rissen an den Tauen. Ihre Masten stießen mit schaurigen Geräuschen gegeneinander. Schnell! Ich hatte nur noch ein paar Sekunden. Dann wäre alles zu spät. Ich musste weiterrennen!
    Die Regentropfen auf meinem Gesicht vermischten sich mit meinen Tränen. Ich rannte. Ich rannte die Strandpromenade zurück – und damit in Travis’ Richtung – driftete aber in Richtung Hafenmauer ab. Die Wellen waren hoch. Ich hatte also eine Chance. Oder zumindest einen kleinen Funken Hoffnung. Dass ich, ohne mir den Hals zu brechen, von der Mauer springen könnte. Dass Travis mir nachspringen würde, ohne zu wissen, wo die tödlichen Felsen lauerten.
    Die Mauer war glitschig. Es half alles nichts: Ich musste kurz stehen bleiben, um mir die Sandalen von den Füßen zu streifen. Schulterblick. Mein Vorsprung: maximal zehn Sekunden. Travis kam in aller Seelenruhe auf mich zu – er schien zu wissen, dass ich in der Falle saß, und er schien diesen Triumph auskosten zu wollen.
    Ich kletterte flink auf die Mauer und balancierte bis zum anderen Ende. Wieselflink. Dann sah ich ins Meer hinunter. Bei Ebbe und ruhiger See konnte man genau erkennen, wo die Felsen lagen. Nicht so jetzt im wilden Wellentreiben. Ich musste mich komplett auf mein Gefühl verlassen.
    »Eden! Nicht springen!«, brüllte Travis. »Dir passiert nichts!«
    Noch ein Meter, dann hat er mich! Ich schaute noch einmal in den schwarzen Strudel unter mir und versuchte verzweifelt, die lebensrettende Stelle zwischen den beiden Felsformationen zu finden.
    Seine Hand griff nach meiner Kapuze.
    Da sprang ich. Einfach so. Instinktiv. Ich hatte meinen Freunden oft genug zugesehen.
    Das kalte Wasser verschluckte mich mit Haut und Haar. Ich versank in der Riesenwelle. Schloss die Augen. Öffnete sie wieder. Hoch über mir perlendes Licht. Die Dämmerung? Ich schlug wild mit den Beinen, strebte nach oben. Als ich an die Oberfläche kam, hatte ich das Gefühl, meine schmerzenden Lungen müssten platzen. Ich japste. Ein Blick nach oben. Travis stand auf der Hafenmauer und schaute zu mir herab. Ich schwamm zur anderen Seite der Bucht – wie ich es bei meinen Freunden so oft gesehen hatte. Schnell zurückschauen, nur kurz . Travis zog gerade seine Jacke aus. Jemand kam auf ihn zu. Ich schwamm schneller. Schwimmen war nie meine Stärke gewesen. Vor tiefem Wasser hatte ich schon immer Angst, vor hohen Wellen die reine Panik.
    Hinter mir ein lautes Platschen. Wahrscheinlich Travis. Hektisch pflügte ich durch das Wasser. Zum Umsehen hatte ich keine Zeit.
    »Eden!«, hörte ich Travis mit heiserer Stimme schreien.
    Meine Arme schmerzten, meine Lungen brannten, doch ich konzentrierte mich nur auf eine einzige Sache: Ich musste das andere Ufer erreichen! Wellen schleuderten mich in die Höhe und warfen mich zurück. Keine Panik! Ganz ruhig!
    Plötzlich: Eine Hand auf meiner Schulter! Sie griff zu, bekam mich nicht zu fassen, glitt ab. Ich verschluckte meinen Schrei und jede Menge Wasser. Gurgelte. Japste. Kam wieder einigermaßen zu Atem. Travis schwamm jetzt neben mir, blutend. Eine klaffende Wunde seitlich an der Stirn, Panik in den Augen. Er streckte seine Hand aus. Versuchte mich zu packen. Erwischte mich wieder an der Schulter. Drückte zu, und mein Kopf versank unter der Wasseroberfläche. Ich zappelte, doch er hatte meine Kapuze fest gepackt. Ich holte aus, zielte auf sein Gesicht; schlug zu. Mit aller Gewalt – das Wasser bremste, dämpfte und machte mich kraftlos. Der Versuch, wegzuschwimmen. Doch da war immer noch seine Hand. Meine Kapuze in seiner Hand. Bläschen aus meinem Mund strömten nach oben. Über mir viel Rot, nein, alles rot. Dort, wo sein Kopf war. Rotes Wasser. Wie blutender Klatschmohn. Panik. Ich grub meine Fingernägel in Travis’ Hand. Er packte härter zu. Meine Brust schmerzte. Sauerstoff! Meine Beine strampelten reflexartig, meine Arme drängten nach oben, schoben mich in Richtung Oberfläche. Travis zog nach unten.
    Ich schloss die Augen. Meine Lungen waren leer. Irgendwo in meiner Nähe eine schwerfällige Bewegung im Wasser. Was das war und woher es kam, konnte ich nicht sagen.

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