Eden und Orion - Lichtjahre zu dir
genau wusste, dass das keinerlei Auswirkung auf meine roten Backen haben würde.
»Ich habe eben eine gesunde Gesichtsfarbe.«
Ryan ließ seinen Blick schnell von meiner Brust hinauf zu meinem Gesicht gleiten. An meinen Augen blieb er hängen. Er lächelte und machte sich wieder ans Zeichnen. Ich versuchte, mich auf die Musik zu konzentrieren, die aber so langsam und herzerweichend romantisch war, dass ich mir unweigerlich auszumalen begann, wie es wäre, mit Ryan zu tanzen. Wir beide barfuß im Sonnenuntergang am Strand und im Hintergrund diese Melodie. Ich packte meinen Skizzenblock und wedelte ihn hektisch vor meinem Gesicht herum, um mir Luft zuzufächeln.
»Gibt es an der Schule eigentlich so was wie eine Naturwissenschafts-AG?«, fragte Ryan unvermittelt und sah mich neugierig an.
»Na ja, zumindest gibt es Nachhilfe für diejenigen, die versetzungsgefährdet sind.«
Ryan runzelte die Stirn. »Gibt es wirklich nichts anderes? Es kann gerne auch was ganz Spezielles sein – für Freaks und so.« Er grinste.
»Nicht wirklich. Es sei denn, du zählst Astronomie zu den Naturwissenschaften. Ähem, dazu gehört sie aber ja auch, oder? Mein Freund Connor macht da jedenfalls mit.«
Ryan legte seinen Bleistift weg und sah mich an. »Connor?«
»Du hast ihn in der Kantine kennengelernt. Der blonde Typ, der dich angehalten und nach deinem Akzent gefragt hat.«
Ryan nickte. »Hört sich gut an. Wann treffen die sich denn, die Astronomen?«
»Freitags. Mr Chinn leitet den Kurs. Aber Connor kann dir sicher mehr sagen.«
Ryan sah mich aufmerksam an. »Genau so was suche ich. Wie heißt Connor mit Nachnamen? Dann schließe ich mich mal mit ihm kurz.«
»Penrose«, sagte ich. Und fügte hinzu: »Er ist so was wie mein bester Freund. Ich mache euch bekannt.«
»Super. Danke.« Ryan griff wieder nach seinem Skizzenblock und kratzte mit seinem Bleistift über das Blatt. Ich starrte weiter die Palme vor dem Fenster an.
Ein Haselnusskaffeehauch kündigte Mrs Link an.
»Sehr gut, Ryan«, sagte sie begeistert, als sie einen Blick auf seine Zeichnung warf. »Du hast Edens Gesichtsausdruck hervorragend getroffen.«
Nach einer quälenden halben Stunde der Selbstbeobachtung forderte Mrs Link uns auf, die Rollen zu tauschen. Ich wusste nicht, ob ich erleichtert sein oder panisch werden sollte.
»Und? Wie hättest du mich gern?«, fragte Ryan und zwinkerte mir zu.
»Mir egal.«
Ich hatte keinen Schimmer, wie ich überhaupt anfangen sollte. Hilflos schaute ich ihm in die Augen: Sie waren braun. Aber nicht schlammig braun. Auch nicht mokkabraun. Und nicht schmutzig braun. Seine Augen waren herbstblätterfarbenbraun. Direkt um die Pupille herum glänzte seine Iris maronenfarben und wurde zu den Rändern hin immer heller. Warme Kupfertöne, die ganz außen fast golden glänzten. Er hatte die schönsten Augen, in die ich jemals geblickt hatte. Augen, die jetzt freundlich in meine schauten.
»Ähem, ich glaube, jetzt wäre es besser, wenn du aus dem Fenster schaust«, sagte ich.
»Auf diesen Baum?«
»Das wäre perfekt.«
»Was ist das eigentlich für ein Baum?«
»Ach, irgendeine Palmenart«, sagte ich gleichgültig und zuckte mit den Schultern.
Leider versuchte ich vergeblich, den Ausdruck seiner Augen einzufangen. Bei mir sahen sie wie ganz normale Augen aus. Mit Worten hätte ich seinen Blick besser zu fassen vermocht als mit dem Kreidestift: Er wirkte frei, warmherzig und fröhlich, doch nichts davon konnte ich dem Betrachter meiner Skizze vermitteln.
Als Nächstes versuchte ich, Ryans Haar zu zeichnen. Es glänzte hellbraun. Wäre ich eine begabte Künstlerin, hätte ich mindestens zwölf verschiedene Farbtöne nur für seine Haare gewählt, die ich dann sanft ineinander hätte verlaufen lassen. Er hatte sich die einzelnen Strähnen aus dem Gesicht gekämmt, sodass sie in alle Richtungen fielen. Ich versuchte, mit meinem Bleistift die verschiedenen Fallrichtungen zu skizzieren, aber das Ergebnis sah einfach nur zerwühlt aus und nicht, als müssten die Haare genau so sein.
Die Grundform seines Gesichts zeichnete ich, wie Mrs Link es uns gezeigt hatte, einfach als Oval – mir würde es ja ohnehin nicht gelingen, so etwas wie seine Wangenknochen oder den markanten Kiefer darzustellen. Das, was ich schließlich zu Papier brachte, sah aus wie die dilettantischen Zeichenversuche einer Achtjährigen, und ich spielte kurz mit dem Gedanken, das Blatt einfach zu zerreißen. Seufzend machte ich mich an seinen
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