Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eden

Eden

Titel: Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
zu hart ist?« fragte der Doktor.
    »Warum versuchst du alles ins Lächerliche zu ziehen?« »Weil ich weiterhin behaupte, dass wir gerade so viel gesehen haben, wie Blinde sehen können.« »Hat noch jemand etwas zu sagen«, fragte der Koordinator, »abgesehen von Bekenntnissen zum Agnostizismus?« »Ich«, meldete sich der Physiker. »Es sieht aus, dass sich die Doppelts nur in Ausnahmefällen zu Fuß bewegen, worauf übrigens schon das Mißverständnis zwischen der Größe der Extremitäten und der Körpermasse hinweist. Mir scheint, es wäre höchst aufschlußreich, wenn wir den möglichen Entwicklungsbaum zu skizzieren versuchten, der so geartete Individuen hervorgebracht hat. Ist euch ihre lebhafte Gestikulation aufgefallen? Aber keiner hat mit den Händchen ein Gewicht gehoben, etwas gezogen oder geschleppt. In einer Stadt auf der Erde sind solche Bilder doch an der Tagesordnung. Vielleicht dienen ihnen die Hände zu anderen Zwecken.«
    »Zu welchen?« fragte der Doktor interessiert. »Ich weiß es nicht. Das ist dein Gebiet. Hier ist jedenfalls noch viel aufzuholen. Vielleicht hatten wir es zu eilig damit, gleich den Aufbau ihrer Gesellschaft begreifen zu wollen, wir hätten lieber darangehen sollen ihre einzelnen Bausteine zu untersuchen.« »Das ist richtig«, sagte der Doktor. »Die Hände - stimmt, das ist sicherlich ein wichtiges Problem. Der Entwicklungsbaum auch. Wir wissen nicht einmal, ob sie Säuger sind. Ich würde es auf mich nehmen, solche Fragen binnen weniger Tage zu beantworten, aber das, was mich an diesem Schauspiel am meisten beeindruckt hat, fürchte ich, werde ich nicht beantworten können.« »Und das ist?« »Der Umstand, dass ich keinen einzigen einsamen Fußgänger gesehen habe. Keinen einzigen. Ist euch das nicht aufgefallen?« »Doch, da war einer - ganz am Schluß«, sagte der Physiker. »Ja, eben.« Sie schwiegen alle eine Zeitlang.
    »Wir müssen uns den Film noch einmal ansehen«, sagte der Koordinator zögernd. »Ich glaube, der Doktor hat recht. Einsame Fußgänger hat es nicht gegeben, sie haben sich zumindest paarweise bewegt. Obschon am Anfang einer da war. Er hat am Hafen gestanden.« »Er saß in dem kegelförmigen Apparat«, sagte der Doktor. »In den Scheiben sitzen sie auch einzeln. Ich habe von Fußgängern gesprochen. Nur von Fußgängern.« »Viele waren es nicht.«
    »Mehrere hundert bestimmt. Stell dir die Straße einer Stadt auf der Erde aus der Vogelperspektive vor. Der Prozentsatz an einsamen Fußgängern wird bestimmt groß sein. Zu gewissen Zeiten bilden sie sogar die Mehrheit, und hier fehlen sie ganz.« »Was hat das zu bedeuten?« fragte der Ingenieur. »Leider weiß ich es nicht.« Der Doktor schüttelte den Kopf. »Das frage ich mich auch.«
    »Ein einzelner kam doch mit euch mit«, sagte der Ingenieur. »Ja, aber kennst du die Umstände, die dazu geführt haben?« Der Ingenieur antwortete nicht. »Hört«, begann der Koordinator. »Solch eine Diskussion artet leicht in einen unfruchtbaren Streit aus. Wir haben keine systematischen Untersuchungen durchgeführt, weil wir keine Forschungsexpedition sind. Wir hatten andere Sorgen, Sorgen vom Typ Kampf ums Dasein. Wir müssen jetzt weitere Pläne festlegen. Morgen wird der Bagger in Betrieb genommen, das steht schon fest. Dann werden wir zwei Automaten, zwei Halbautomaten, einen Bagger und den Beschützer haben, der unter Einhaltung der entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ebenfalls beim Aufrichten der Rakete helfen kann. Ich weiß nicht, ob euch der Plan bekannt ist, den ich mit dem Ingenieur ausgearbeitet habe. Unsere ursprüngliche Konzeption war, dass wir die Rakete in die Horizontale herunterlassen und dann durch Anschütten des Bodens den Rumpf allmählich aufrichten. Diese Methode haben schon die Erbauer der Pyramiden angewendet. Jetzt wollen wir unsere gläserne Mauer in Stücke von geeigneter Größe schneiden und Gerüste daraus bauen. Material werden wir genug haben, wir wissen jetzt auch, dass sich diese Substanz bei hoher Temperatur schmelzen und schweißen läßt. Durch die Verwendung dieses Baustoffs, den uns die Eden bewohner so verschwenderisch geliefert haben, sind wir in der Lage, den ganzen Prozeß radikal zu verkürzen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in drei Tagen starten können … Moment!« Er hob die Hand, als er die Bewegung unter den Anwesenden beobachtete. »Ich wollte euch also bei dieser Gelegenheit fragen, ob wir starten werden.« »Ja«, sagte der Physiker. »Nein«, rief

Weitere Kostenlose Bücher