Eden
Pflug das Gestrüpp beiseite geräumt, auf den umgelegten Schollen wucherten nur die samtenen Flechten. Jähe Dämmerung legte sich über die Ebene, als die schräge Silhouette der Rakete schon deutlich zu erkennen war. Sie konnten also auf die Taschenlampen verzichten. Hunger quälte sie, aber noch mehr die Erschöpfung. So beschlossen sie, das Zelt draußen aufzustellen. Vom Durst gepeinigt, denn das Wasser war ihnen auf dem Rückmarsch ausgegangen, begab sich der Physiker durch den Tunnel in die Rakete. Er blieb lange weg. Sie pumpten gerade das Zelt auf, als sie ihn unter der Erde schreien hörten. Sie eilten zum Eingang und halfen ihm heraus. Seine Hände zitterten. Er war so aufgeregt, dass er kaum ein Wort hervorbrachte.
»Was ist los! Beruhige dich!« redeten sie auf ihn ein. Der Koordinator packte ihn fest bei den Schultern. »Da«, er deutete auf den dunklen Rumpf über ihnen, »da war jemand.« »Wie?« »Woran hast du das erkannt?« »Wer war da?« »Das weiß ich nicht.« »Woran hast du erkannt, dass jemand da war?« »An … an den Spuren. Ich betrat versehentlich den Steuerraum. Wir hatten ihn vorher mit Sand vollgeschüttet, jetzt ist keiner da.« »Wieso ist keiner da?«
»Er fehlt. Es ist fast sauber.«
»Und wo ist der Sand geblieben?«
»Das weiß ich nicht.«
»Hast du in die anderen Räume geschaut?«
»Hab ich. Das heißt, ich hatte vergessen, dass im Steuerraum Erde lag, und dachte mir zunächst gar nichts, ich wollte ja nur trinken. Ich ging also in das Lager, fand das Wasser, hatte aber nichts zum Schöpfen, so ging ich in deine Kabine - und da … «
»Was zum Teufel!«
»Alles war mit Schleim bedeckt.« »Mit Schleim?« »Ja, mit durchsichtigem, klebrigem Schleim. Sicherlich habe ich noch was an meinen Schuhen! Ich sah gar nichts, erst später merkte ich, dass die Sohlen klebten.« »Vielleicht sind die Behälter leck, oder es ist eine chemische Reaktion eingetreten. Du weißt doch, dass die Hälfte der Gefäße im Labor zerschlagen ist.« »Red keinen Unsinn! Leuchte hier, auf die Füße.« Der Lichtfleck wanderte nach unten. Die Schuhe des Physikers glänzten an einigen Stellen, als hätten sie einen Überzug aus farblosem Lack. »Das ist noch kein Beweis dafür, dass dort jemand gewesen ist«, erwiderte der Chemiker.
»Aber ich kam ja da noch gar nicht darauf! Ich nahm einen Becher und kehrte zum Lager zurück. Dass die Schuhsohlen klebrig waren, fühlte ich, aber ich beachtete es nicht. Ich trank das Wasser, und als ich zurückging, fiel mir ein, mal in der Bibliothek nachzusehen. Warum, weiß ich selbst nicht. Etwas unruhig war ich ja, aber daran habe ich nicht im geringsten gedacht. Ich mach die Tür auf, leuchte hinein, und da ist es sauber. Keine Spur von Sand! Ich hatte den Sand doch selbst hineingeschüttet, deshalb stieß mir das gleich auf, und auch, dass welcher im Steuerraum gewesen ist!«
»Und was weiter?« fragte der Koordinator.
»Nichts, dann lief ich her.«
»Er ist vielleicht noch da, im Navigationsraum oder in dem anderen Lager«, sagte der Kybernetiker leise. »Glaub ich nicht«, murmelte der Koordinator. Die Taschenlampe, die der Doktor nach unten hielt, erhellte ein Stück Boden. Sie standen um den Physiker herum, der noch immer heftig atmete. »Ob wir hingehen?« überlegte der Chemiker laut, aber es war zu sehen, dass es ihn nicht sonderlich danach drängte. »Zeig doch noch mal deine Schuhe«, bat der Koordinator. Er betrachtete aufmerksam die eingetrocknete glänzende Schicht, die an dem Leder klebte. Fast wäre er mit dem Kopf des Doktors zusammengestoßen, als sich der ebenfalls bückte. »Wir müssen etwas unternehmen«, sagte der Kybernetiker verzweifelt.
»Es ist ja nichts geschehen. Irgendein Vertreter der lokalen Fauna ist in das Raumschiff gekrochen und dann verschwunden, nachdem er nichts gefunden hat, was für ihn von Belang sein könnte«, entschied der Koordinator. »Wohl ein Regenwurm, was? Ungefähr so groß wie ein Hai oder wie zwei Haie«, spottete der Kybernetiker. »Was ist mit dem Sand geschehen?« »Das ist tatsächlich sonderbar. Vielleicht …« Ohne den Satz zu beenden, begann der Doktor die nächste Umgebung abzusuchen. Sie konnten seinen Schatten im Schein der Taschenlampe verfolgen. Der Lichtstrahl beleuchtete den Boden oder huschte blaß in die Finsternis. »He!« rief er plötzlich. »He, kommt mal her! Ich hab’s.« Sie rannten zu ihm hin. Er stand vor einem mehrere Meter langen Erdwall, der hier und da von Fetzen
Weitere Kostenlose Bücher