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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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stelle sich danach vor, wie dunkel mein Gefängnis sein mußte, und der Brief meines Freundes (falls es ein Brief von ihm war) schien mich nur in ärgere Trübsal stürzen zu wollen, indem er mein geschwächtes und aufgeregtes Gemüt noch mehr und ohne Zweck beunruhigte. Umsonst sann mein Hirn auf tausend unsinnige Arten, Licht zu schaffen, Mittel, wie sie ein Mensch im Opiumtraum erdenken würde, wenn jedes abwechselnd als das vernünftigste und das tollste erscheint, gerade wie die Fähigkeiten des logischen Denkens und der Phantasie wechselnd aufflackern, indem eine die andere verdrängt. Schließlich tauchte ein Gedanke auf, der mir verständig erschien, und ich wunderte mich mit Recht, daß ich ihn nicht schon vorher gefunden hatte. Ich legte den Streifen auf den Rücken eines Buches und sammelte auf ihm die Reste der Phosphorhölzer. Dann verrieb ich rasch und stetig das Ganze mit der Fläche meiner Hand. Augenblicklich verbreitete sich ein klares Licht über das Blatt; und wäre etwas Geschriebenes darauf gewesen, ich hätte es sicher ohne Mühe lesen können. Doch stand keine Silbe darauf – ich blickte auf ein trostloses weißes Blatt, die Beleuchtung verging binnen weniger Sekunden, und mit ihr erstarb der Mut in meiner Seele.
    Ich sagte schon mehr als einmal, daß mein Geist seit langem in einer Verfassung war, die an Schwachsinn grenzte. Gewiß gab es Zwischenräume völligen Vernünftigseins, mitunter sogar, wenn auch selten, eine Anwandlung von Energie. Tagelang hatte ich ja die nahezu verpestete Luft des Kielraums geatmet, des Kielraums in einem Walfängerschiff! Und mein Wasservorrat war dürftig gewesen. Die letzten vierzehn, fünfzehn Stunden hatte ich ohne Wasser und Schlaf auskommen müssen. Aufregende gesalzene Speisen waren meine hauptsächlichste und seit dem Verlust der Hammelkeule meine einzige Kost gewesen, wenn man den Schiffszwieback ausnimmt; und der nützte mir nichts, da er zu hart für meinen geschwollenen und ausgedörrten Schlund war. Ich fieberte heftig, ich war überhaupt bedenklich krank. So möge es sich erklären, daß viele elende Stunden voller Mutlosigkeit vergingen, bevor es mir einfiel, daß ich ja nur eine Seite des Blattes untersucht hatte! Ich will es nicht versuchen, meine Wut zu schildern (denn Zorn schien das vorherrschende Gefühl zu sein), als die furchtbare Dummheit, die ich begangen hatte, sich plötzlich vor meinem Bewußtsein aufhellte. Der Fehler selbst wäre unbedeutend gewesen, hätte nicht meine eigene Torheit und Übereilung das Gegenteil bewirkt; in meiner Enttäuschung hatte ich das Papier in Stücke zerrissen und verstreut, der Himmel mochte wissen, wohin.
    Tigers Klugheit rettete mich aus der ärgsten Not. Nach langem Herumsuchen hatte ich ein Fetzchen des Briefes gefunden; ich hielt es dem Hund unter die Nase und trachtete, ihm beizubringen, daß er den Rest holen müsse. Zu meiner Verwunderung (denn ich hatte ihn keines der üblichen Kunststückchen gelehrt) schien er sofort auf meine Absicht einzugehen und fand nach einigem Schnüffeln bald einen größeren Teil des Briefes. Den brachte er mir, machte eine Pause, rieb seine Nase an meiner Hand und schien auf Beifall zu warten. Ich streichelte ihm den Kopf, und sogleich machte er sich wieder auf die Suche. Nach einigen Minuten kam er mit einem großen Streifen zurück; das Blatt war nun vollständig, denn ich hatte es offenbar nur in drei Teile zerrissen. Glücklicherweise fand ich bald die Phosphorreste, da ein ungewisser Schimmer noch von ihnen ausging. Mein Mißgeschick hatte mich gelehrt, vorsichtig zu sein, und ich nahm mir jetzt die Zeit zur Überlegung. Wahrscheinlich standen Worte auf der noch nicht untersuchten Seite des Blattes, aber welche war das? Ein Zusammensetzen der Teile erlaubte keinen Schluß in dieser Hinsicht, obgleich ich überzeugt war, daß die Worte (falls solche vorhanden waren) alle auf einer Seite und in richtiger Verbindung stehen müßten. Den zweifelhaften Punkt aufzuklären, das war die allernotwendigste Forderung; denn der noch übrige Phosphor hätte für einen dritten Versuch nicht ausgereicht. Wieder legte ich das Papier auf ein Buch und saß einige Minuten in tiefem Nachdenken über der Sache. Zuletzt fiel es mir bei, die beschriebene Seite könnte sich einem feinen Tastsinn durch eine gewisse Unebenheit der Oberfläche verraten. Ich beschloß, die Probe zu machen, und strich mit dem Finger sehr sorgfältig über die Seite, die sich zuerst darbot. Jedoch war

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