Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
auch bin,
Es raunt die dumpfe See
Ans Ufer dunklen Sinn:
»Dahin – dahin – dahin!«
Und tags in wachen Träumen,
Und wenn die Nacht entsinkt,
Wo deine Stapfen säumen,
Wo noch dein Auge blinkt –
In welchen seligen Räumen!
Bei Tänzen, wie beschwingt!
Der See
In meinen jungen Jahren trieb
Mich Sehnsucht oft an einen Ort,
Der mich gebannt hielt wie ein Hort.
So war die Einsamkeit mir lieb
Von einem See, um dessen Rand
Ein schwarzes Felsgemäuer stand.
Doch wenn die Nacht ihr Bahrtuch warf
Auf diese Stelle und auf mich,
Und mystisch durch die Wellen strich
Der Wind, bald klagend und bald scharf,
Dann – ja – erschreckte mich oft jäh
Die Einsamkeit am dunklen See.
Doch dieser Schrecken war nicht Grau‘n;
Nein, eine Lust, die Schauer barg,
So zitternd und dämonisch stark,
Wie sie in unterirdischen Gau‘n
Der spüren mag, der einen Schein
Erhascht von flimmerndem Gestein.
Tod war um jenen giftigen Strand –
Und in der Flut ein Grab für ihn,
Der dort für seine Phantasien
Besänftigende Tröstung fand
Und den sein Träumen wandeln hieß
Das finstre Reich zum Paradies.
An ...
Ich traure nicht, daß schon am Ziel
Mein irdisches Geschick,
Daß langer Jahre Frucht zerfiel
In einem Augenblick.
Nicht, daß kein einziger wie ich
So einsam und unstet,
Bloß darum, daß du weinst um mich,
Der nur vorübergeht.
Das Vewunschene Schloss
Inmitten einer lieblichen Au,
Die kristallenes Licht übergoß,
Stand ehemals ein stolzer Bau,
Ein strahlend schönes Schloß.
Das Reich, wo es sich luftig erhob,
War des Königs »Gedanke« Land,
Und Seraphschwingen waren darob
Unsichtbar ausgespannt.
Goldgelbe Banner aus Damast
Wallten in Sonnenglut
Herab vom schimmernden Palast
Wie eine goldene Flut.
Und jeder schmeichlerische Zephyr,
Der mit den Blüten dort
Gekost, flog aus dem Zauberrevier
Als Wohlgeruch wieder fort.
Die Wanderer blickten in jenem Tal
Durch Fenster aus leuchtendem Glas
In einen hohen, blendenden Saal,
Wo des Reiches Gebieter saß.
Sein Thron war ganz aus edlem Gestein
Mir purpurnem Baldachin;
Davor schlangen Genien einen Reih‘n
Zu Harfenmelodien.
Mit Perlen und Rubinen besät
War des Palastes Portal,
Durch dieses flatterten früh und spät
Echoschwärme ohne Zahl
Vor den König hin und sangen ihm
Mit Stimmen süß und leis
Einen Chorus wie von Seraphim
Zu immerwährendem Preis.
Doch wüstes Volk in der Sorge Gewand
Nahm Thron und Reich in Beschlag.
Weh, nie mehr dämmert in jenem Land
Der Tag, weh, nimmer ein Tag!
Und alles, alles, was dort umher
Je prangte an Herrlichkeit,
Ist nur eine traumhafte Mär
Aus längst vergessener Zeit.
Jetzt zeigen sich des Wanderers Blick
Gestalten knöchern und starr
Und schwingen sich zu toller Musik
In Reigen wild und bizarr.
Dieweil gleich einem lautlosen Strom
Sich in die ewige Nacht
Zur Tür hinausstürzt Phantom um Phantom
Und nimmermehr lächelt – doch lacht!
Ende
© 2013 In die Presse Verlag
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