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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Wollen sie uns mit dem Kaufpreis durchgehen oder, heiliger Moses, prüfen sie am Ende gar die Schekels des Tabernakels auf ihr Gewicht?«
    »Sie haben endlich das Zeichen gegeben,« rief der Pharisäer, »sie haben endlich das Zeichen gegeben – zieh an, Abel-Phittim! – und du, Bazi-Ben-Levi, zieh an! – Denn wahrlich, entweder halten die Philister den Korb noch fest, oder der Herr hat ihre Herzen erweicht, ein Tier von gutem Gewicht hineinzutun!« Und die Gizbarim zogen und zogen, während ihre Last durch den stärker zunehmenden Nebel schwerfällig aufwärts schwankte.
    * * *
    »Bewahr‘ uns!« – brach es nach Ablauf einer Stunde, als am Ende des Seils ein Gegenstand undeutlich sichtbar wurde, von den Lippen Ben-Levis.
    »Bewahr‘ uns! – Pfui! es ist ein Widder aus dem Dickicht von Engedi und so buschig wie das Tal Josaphat.«»Es ist ein Erstling aus der Herde,« sagte Abel-Phittim, »ich erkenne es am Blöcken seines Mundes und am unschuldigen Bau seiner Glieder. Seine Augen sind schöner as Edelsteine, und sein Fleisch gleicht dem Honig des Hebron.«
    »Es ist ein gemästetes Kalb von den Weiden von Baschan,« sagte der Pharisäer, »die Heiden haben wundersam an uns gehandelt! Laßt uns unsre Stimmen in einem Psalm erheben! Laßt uns Dank sagen mit Schalmei und mit dem Psalter – mit Harfe und Flöte und Posaune!«
    Erst als der Korb nur noch ein paar Fuß von den Gizbarim entfernt war, bot sich den Blicken mit tiefem Grunzen ein Schwein von ungewöhnlichem Umfang.
    »O El Emanu!« entrang es sich langsam dem Trio, als es seine Last fahren ließ und das befreite Borstentier kopfüber unter die Philister stürzte, »El Emanu!« – sie verdrehten die Augen gen Himmel – »Gott steh uns bei! – es ist das unaussprechliche Fleisch!«

Eleonora

    Sie, die ich in meiner Jugend liebte und von der ich jetzt kühl und klar das Folgende berichte, war die einzige Tochter der einzigen Schwester meiner früh verstorbenen Mutter. Eleonora war der Name meiner Kusine. Wir hatten immer zusammengewohnt – im »Tale des vielfarbigen Grases« unter tropischer Sonne. Kein fremder Fuß betrat jemals dies Tal, denn es lag weit, weit droben inmitten gigantischer Berge, die es ragend umstanden und seinen lieblichen Gründen Schatten spendeten. Kein Pfad führte dorthin, und um in unser seliges Heim zu gelangen, hätte man das Gezweig von vieltausend Waldbäumen gewaltsam durchbrechen und die Herrlichkeit von vielen Millionen duftender Blumen zertreten müssen. So lebten wir also ganz einsam und kannten nichts von der Welt außerhalb des Tales – ich und meine Kusine und ihre Mutter. Aus den nebelhaften Regionen der höchsten Berge, die unser Reich umschlossen, kam ein Fluß, schmal und tief, und seine Flut war glänzender als alles – ausgenommen Eleonoras Augen. Er wand sich durchs Tal in verstohlenen Krümmungen und tauchte dann in eine dunkle Schlucht, zwischen Berge, die noch düsterer und geheimnisvoller waren als jene, aus denen er gekommen war. Wir nannten ihn den »Fluß des Schweigens«, denn es war, als ob sein Fluten alles beruhige und still mache. Kein Murmeln klang aus seinen Tiefen, er ging so sanft dahin, daß die beperlten Kiesel auf seinem Grunde, die wir oft bewunderten, sich niemals rührten, in regungsloser Ruhe lagen sie, jeder funkelte ewig am alten Platz.
    Das Ufer des Flusses und der vielen glitzernden Bächlein, die ihm auf allerlei Umwegen zuströmten, und ebenso alle Flächen, die von den Ufern sich ans Wasser hinuntersenkten, waren von kurzem, dichten, gleichmäßigen Rasen bedeckt, der lieblich duftete. Und weiter noch dehnte sich dieser sanfte grüne Teppich, durchs ganze Tal, vom Fluß bis an den Fuß der Höhen, die es umgürteten. Diese wundervolle weite Grasfläche war über und über mit gelben Butterblumen, weißen Gänseblümchen, blauen Veilchen und rubinroten Asphodelen besprenkelt, und ihre unbeschreibliche Schönheit redete laut zu unsern Herzen von der Liebe und der Herrlichkeit Gottes.
    Hie und da erhoben sich im Grase, wie seltsam verschlungene Traumgebilde, Gruppen phantastischer Bäume, deren Stämme nicht senkrecht aufragten, sondern in anmutigen Biegungen dem Licht entgegenstrebten, das um Mittag in das Tal hereinleuchtete. Ihre Rinde war ebenholzschwarz und silbern gefleckt und war zarter als alles – ausgenommen Eleonoras Wangen. Ja, man hätte diese Bäume für gigantische Schlangen halten können, die der Sonne, ihrer Gottheit, huldigten, wären nicht die glänzend

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