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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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viel von dem, was ein Gericht als Beweis verwirft, dem Intellekt als bester Beweis erscheint. Denn das Gericht, das sich zur Erlangung von Beweisen nach den allgemeinen Grundregeln richtet – den festgesetzten und gebuchten Grundregeln –, betrachtet eine abweichende Beweisführung als Abschweifung. Und dieses standhafte Kleben an den Formeln, unter schärfster Mißachtung aller diesen zuwiderlaufenden Punkte, ist wohl ein sicherer Weg, das Maximum der ergründbaren Wahrheiten herauszufinden; aber es ist nicht weniger gewiß, daß es zu ungeheuren Irrtümern führen kann.
    Was die gegen Beauvais vorgebrachten Verdächtigungen betrifft, so werden Sie diese ohne weiteres abtun. Sie haben den wahren Charakter des guten Mannes erraten. Er ist sensationsgierig, phantastisch und beschränkt und spielt sich gern ein bißchen auf. Wer so veranlagt ist, wird sich in Fällen wirklicher Aufregung leicht so benehmen, daß er sich den Überschlauen und Unwissenden verdächtig macht. Herr Beauvais hatte, wie es den Anschein hat, ein persönliches Interview mit dem Herausgeber des Blattes und kränkte diesen, indem er, ungeachtet der Theorie des Herausgebers, seine Ansicht zu äußern wagte, daß die Leiche tatsächlich mit Marie identisch sei. ›Er besteht darauf‹, sagt das Blatt, ›daß die Leiche jene der Marie sei, weiß aber außer den Angaben, die wir hier einer Beurteilung unterzogen haben, nichts anzuführen, was auch für andere überzeugend wäre.‹ Ohne daß wir nun auf die Tatsache zurückkommen, daß stärkere Beweise, ›die auch für andere überzeugend wären‹, gar nicht erbracht werden könnten, so ist doch zu bemerken, daß in einem Fall wie dem vorliegenden ein Mann sehr wohl selbst überzeugt sein kann, ohne daß es ihm möglich wäre, einen einzigen Grund anzugeben, der für andere stichhaltig wäre. Nichts ist unbestimmter als das Gefühl für individuelle Identität. Jeder kann seinen Nachbar erkennen, dennoch gibt es wenig Anlässe, bei denen irgendeiner den Grund für dieses Erkennen anzugeben vermöchte. Der Herausgeber des ›Etoile‹ hatte kein Recht, über Herrn Beauvais‘ unbegründete Überzeugung beleidigt zu sein. Die gegen diesen vorliegenden Verdachtsmomente passen viel besser zu meiner Hypothese eines sensationshungrigen Phantasten als zu des Artikelschreibers Vermutung, daß Beauvais der Schuldige sei. Neigen wir dieser milderen Auffassung zu, so gibt uns die Rose im Schlüsselloch, das ›Marie‹ auf der Tafel keine Rätsel mehr auf. Wir verstehen nun das ›Beiseiteschieben der männlichen Verwandten‹, sein ›Widerstreben, den Verwandten die Besichtigung der Leiche zu gestatten‹, die der Frau B. erteilte Warnung, daß sie bis zu seiner (Beauvais‘) Rückkehr kein Gespräch mit dem Gendarmen führen solle, und endlich sein offenbares Bestreben, ›daß niemand außer ihm mit den Nachforschungen zu tun haben solle.‹ Es scheint mir außer Frage, daß Beauvais ein Verehrer Maries gewesen, daß sie mit ihm kokettierte und daß ihm daran lag, als ihr naher Freund und Vertrauter zu gelten. Ich habe über diesen Punkt nichts mehr zu sagen; und da die Tatsachen die Behauptung des ›Etoile‹ bezüglich der Gleichgültigkeit von seiten der Mutter und der anderen Verwandten völlig widerlegt haben – einer Gleichgültigkeit, die unvereinbar war mit der Voraussetzung, daß sie die Leiche als jene des vermißten Mädchens anerkannten –, so wollen wir nun fortfahren, als wäre die Frage der Identität völlig erledigt.«
    »Und was«, fragte ich jetzt, »halten Sie von den Äußerungen des ›Commercial‹?«
    »Daß sie weit mehr Beachtung verdienen als alle andern, die in der Sache vorgebracht worden sind. Die aus den Prämissen gezogenen Schlüsse sind gewissenhaft und scharfsinnig; aber die Prämissen beruhen – in zwei Punkten wenigstens – auf falscher Beobachtung. Der ›Commercial‹ wünscht anzudeuten, daß Marie nicht weit vom Haus ihrer Mutter von einer Rotte roher Burschen aufgegriffen worden sei. ›Es ist unmöglich‹ äußert er, ›daß eine Tausenden bekannte Persönlichkeit wie dieses junge Weib drei Häuserquadrate durchqueren könnte, ohne erkannt zu werden.‹ Dies ist die Anschauung eines in Paris lange Ansässigen – eines im öffentlichen Leben Stehenden – und eines, dessen Gänge ins Stadtinnere sich meistens auf die Gegend öffentlicher Gebäude beschränkten. Er ist sich bewußt, daß er selten vom Büro aus ein Dutzend Häuserquadrate passiert, ohne

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