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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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erhobener Stimme. Doch das Geräusch wurde lauter – und was konnte ich tun? Es war ein leises, dumpfes, schnelles Geräusch – ein Geräusch wie das Ticken einer Uhr, die man mit einem Tuch umwickelt hat . Ich rang nach Atem – und dennoch – die Beamten hörten es noch immer nicht. Ich sprach schneller – heftiger, aber das Geräusch wuchs beständig. Ich stand auf und redete gereizt und zornig; meine Stimme war schrill, und ich gestikulierte wild – aber das Geräusch wuchs beständig. Warum gingen sie denn nicht? Ich lief mit wuchtigen Schritten auf und ab, als ob mich die Reden der Männer in Wut gebracht hätten – aber das Geräusch nahm fortwährend zu. O Gott! Was konnte ich tun? Ich schäumte – ich raste – ich fluchte! Ich ergriff den Stuhl, auf dem ich gesessen, und kratzte damit auf den Dielen hin und her – aber das Geräusch erhob sich über alles und nahm fortgesetzt zu. Es wurde lauter – lauter – lauter! Und immer noch plauderten die Männer freundlich und lächelten. War es möglich, daß sie nicht hörten? Allmächtiger Gott! – nein, nein! Sie hörten! – sie argwöhnten! – sie wußten! Sie trieben Spott mit meinem Entsetzen! – Das war es, was ich dachte, und das denke ich noch. Aber alles andere war besser als diese Pein. Alles war erträglicher als dieser Hohn. Ich konnte dies heuchlerische Lächeln nicht länger ertragen. Ich fühlte, daß ich hinausschreien mußte – oder sterben! – Und jetzt – wieder! – horch! lauter! lauter! lauter! lauter ...!
    »Schurken!« kreischte ich, »verstellt euch nicht länger! Ich bekenne die Tat! – Reißt die Dielen auf! – Hier, hier! – Es ist das Schlagen dieses fürchterlichen Herzens.«

Das Stelldichein

    Stay for me there! I will not fail
    To meet thee in that hollow vale.
    (Erwarte mich, ich werde zu dir finden
    Auch in des Schattentales finstern Gründen.)
    Nachruf Henry Kings, Bischofs von
    Chichester, an seine Gattin.

    Unglücklicher, geheimnisvoller Mann! der du, in deine eigenen Phantasien verstrickt, hinstürztest in den Flammen deiner eigenen Jugend! Im Geiste sehe ich dich wieder, noch einmal steigst du vor mir auf. Nicht, o nicht so, wie du jetzt bist – im kalten Tal ein stummer Schatten –, sondern so, wie du sein könntest: ein Leben köstlicher Träumereien verschwendend in jener Stadt der blassen Traumgeschichte, in deinem Venedig, dem Elysium, das die Sterne lieben, und in dem die hohen Fenster der Palastbauten Paladios in tiefem, bitterem Sinnen in die Geheimnisse der stummen Wasser hinabschauen. Ja, ich wiederhole es: – wie du sein könntest! Gewißlich gibt es andere Welten denn diese – andere Gedanken als jene der Menge –, andere Anschauungen als jene der Sophisten. Wer also könnte dich zur Verantwortung ziehen? Wer deine träumerischen Stunden tadeln oder solches Tun ein Vergeuden nennen – ein solches Tun, das nur ein Überströmen deiner ewig jungen Kräfte war?
    Es war in Venedig unter dem gedeckten Brückengang, genannt ›Ponte dei Sospiri‹, als ich dem Manne, von dem ich hier reden will, zum dritten oder vierten Male begegnete. Meine Erinnerung an die näheren Umstände dieser Begegnung ist wirr und dunkel. Dennoch weiß ich, wie tiefe Mitternacht es war, sehe die Seufzerbrücke, die Weibesschönheit und den Genius der Romantik, der über jenem engen Kanale schwebte.
    Die Nacht war ungewöhnlich finster. Die große Uhr auf der Piazza hatte die fünfte Stunde des italienischen Abends geschlagen. Der Platz des Kampanile lag schweigend und verlassen, und die Lichter im alten Dogenpalast verlöschten eins nach dem andern. Ich kehrte auf dem Großen Kanal von der Piazetta her heim. Als aber meine Gondel gerade bei der Mündung des San-Marco-Kanals angekommen war, gellte aus einem dunklen Schlund eine weibliche Stimme in einem einzigen wilden, langgezogenen Schrei. Erschrocken sprang ich auf, während der Gondolier sein einziges Ruder fallen ließ. Ein Wiederfinden in der pechschwarzen Nacht war unmöglich, wir mußten uns also der Strömung überlassen, die hier vom Großen in den Kleinen Kanal treibt. Wie ein riesiger, schwarzgefiederter Kondor trieben wir langsam der Seufzerbrücke zu, als tausend Fackeln an den Fenstern und am Treppenhaus des Dogenpalastes aufflammten und mit einem Male die tiefe Nacht in bleichen, unnatürlichen Tag verwandelten.
    Ein Kind war aus den Armen seiner Mutter von einem der oberen Fenster des hohen Bauwerks in den tiefen dunklen Kanal gestürzt. Die stillen

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