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Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk

Titel: Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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schwarzer Tag – o Wogenbrand,
    Der dich von mir gerissen,
    Von Liebe fort zu greisem Stand
    Auf ein unheilig Kissen,
    Von Weiden fort am Nebelstrand,
    Die um dich weinen müssen!

    Daß diese Zeilen in Englisch geschrieben waren – in einer Sprache, mit der ich den Verfasser nicht vertraut geglaubt hätte –, setzte mich nicht wenig in Erstaunen. Ich wußte, daß er sehr umfangreiche Kenntnisse besaß und auch besondere Freude darin fand, sie anderen zu verbergen, so daß die Tatsache an sich mich nicht weiter überraschte. Das Datum aber, muß ich bekennen, verblüffte mich gar sehr. Das Ortsdatum lautete ursprünglich › London ‹, war aber später überkritzelt worden – jedoch nicht so, daß ein sorgfältig suchendes Auge nicht den ursprünglichen Ortsnamen hätte hindurchlesen können. Ich sage, das verblüffte mich gar sehr, denn ich entsann mich gut, daß ich in einer früheren Unterhaltung meinen Freund einmal gefragt hatte, ob er irgendwann einmal in London der Marchesa di Mentoni begegnet sei, die vor ihrer Verheiratung mehrere Jahre in jener Stadt gelebt, und seine Antwort hatte, wenn ich mich nicht irre, mir zu verstehen gegeben, daß er die Hauptstadt Großbritanniens niemals besucht habe. Ich möchte hier aber auch erwähnen, daß ich mehr als einmal hörte (ohne natürlich solchen unwahrscheinlichen Gerüchten Glauben zu schenken), der Mann, von dem ich spreche, sei nicht nur der Geburt, sondern auch der Erziehung nach ein Engländer.
    »Da ist ein Gemälde«, sagte er, ohne gewahr zu werden, daß ich in der Tragödie blätterte, »da ist noch ein Gemälde, das Sie noch nicht gesehen haben.« Und den Vorhang beiseite schleudernd, enthüllte er das lebensgroße Porträt der Marchesa Aphrodite.
    Menschenkunst konnte nicht mehr in der Schilderung übermenschlicher Schönheit tun! Dieselbe himmlische Gestalt, die in der vergangenen Nacht auf den Stufen des Dogenpalastes vor mir gestanden, stand noch einmal vor mir. Doch im Ausdruck des Gesichtes, das über und über in Lächeln erstrahlte, lauerte schon (unbegreiflicher Widerspruch!) jener kleidsame Schatten der Melancholie, der von vollendeter Schönheit stets untrennbar ist. Ihr rechter Arm lag über der Brust, der linke hing herab auf eine eigentümlich geformte Urne. Der eine schmale Elfenfuß, der sichtbar war, berührte nackt den Boden; und kaum erkennbar in der leuchtenden Luft, die ihre Lieblichkeit umwob, breiteten sich ein paar hauchzarte Schwingen. Mein Blick schweifte von dem Gemälde hin zu meinem Freunde, und die monumentalen Worte aus Chapmans ›Bussy d‘Ambois‹ kamen mir unwillkürlich über die Lippen:
    »Da droben steht er wie ein römisch Standbild –
    Und wird dort stehn, bis Tod ihn marmorn macht.«
    »Kommen Sie«, sagte er endlich und trat an einen kostbaren emaillierten Tisch aus massivem Silber, auf dem ein paar Trinkbecher von seltsamer Farbe neben zwei hohen etruskischen Vasen standen, die dieselbe eigenartige Form hatten wie jene im Vordergrunde des Porträts – und, wie ich annahm, mit Johannisberger gefüllt waren. »Kommen Sie«, sagte er herb, »lassen Sie uns trinken! Es ist früh – doch lassen Sie uns trinken! – Es ist tatsächlich früh«, fuhr er versonnen fort, als ein Engel mit schwerem goldenen Hammer dröhnend die erste Stunde nach Sonnenaufgang kündete. »Es ist tatsächlich früh – doch was tut‘s? Trinken wir! Bringen wir der großen feierlichen Sonne, die diese bunten Lampen und Räucherbecken so gerne überstrahlen möchte, ein Opfer dar!« Und nachdem er mit mir angestoßen, goß er in rascher Folge mehrere Becher Wein hinunter.
    »Träumen«, fuhr er im leichtfertigen Ton oberflächlicher Unterhaltung fort, während er eine der herrlichen Vasen ins helle Licht der Flammenbecken hob, »Träumen war die Beschäftigung meines Lebens. So habe ich mir, wie Sie sehen, diesen Traumpalast errichtet. Hier im Herzen Venedigs! – Hätte ich es besser machen können? Es ist wahr, Sie sehen da um sich her ein großes Stildurcheinander. Die Keuschheit Joniens wird durch vorsintflutliche Sinnbilder beleidigt, und Ägyptens Sphinxe dehnen sich auf goldenen Teppichen. Dennoch können nur Einfältige eine solche Zusammenstellung unangebracht finden. Einheitlichkeit in Ort und vor allem in Zeit, das sind die Popanze, die die Menschen von der Ansammlung des Schönen zurückschrecken. Einst war auch ich ein Freund der ›Symmetrie‹, des ›Dekorativen‹; aber jene verrückte Einseitigkeit erstickte meine

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