Edgar Allan Poe - Das gesamte Werk
- das heißt, ein Franzose gibt eine Sache nie ganz verloren. Außerdem hassen Seine Gnaden Szenen. De l‘Omelette ist wieder er selbst. Auf einem Tische lagen unter anderen Waffen einige Rapiere. Der Duc wußte sie zu führen; il avait tué ses six hommes. Nun denn, il peut s‘échapper. Er prüft zwei der Waffen und bietet sie mit unnachahmlicher Grazie Seiner Majestät zur Wahl. Horreur! Seine Majestät ist kein Fechter.
Mais il joue! Welches Glück. Seine Gnaden hatten immer ein glänzendes Gedächtnis. Er hat einmal im »Diable« des Abbé Gualtier geblättert und dort gefunden, »que le Diable n‘ose pas refuser un jeu d‘écarté.«
Aber die Chancen - die Chancen. Wahrlich verzweifelt; aber kaum weniger verzweifelt als der Duc. Doch kennt er nicht die Schliche und Kniffe? Ist er nicht mit Pierre le Brun fertig geworden? War er nicht Mitglied des Klubs Vingt-et-un? »Si je perds«, denkt er, »je serais deux fois perdu - dann habe ich eben voilà tout! doppelt verspielt -« (Hier zucken Seine Gnaden die Achseln.) »si je gagne, je reviendrai à mes ortolans - que les cartes soient préparées!«
Seine Gnaden waren ganz Aufmerksamkeit; Seine Majestät war lässig. Ein Zuschauer würde an Karl und Franz gedacht haben. Seine Gnaden dachten ans Spiel, Seine Majestät dachte an nichts und mischte. Der Duc hob ab.
Die Karten werden ausgeteilt. Der Trumpf wird aufgelegt - es ist - es ist - der König? Nein - es ist die Dame. Seine Majestät fluchte über deren männliche Kleidung.
De l‘Omelette legte die Hand aufs Herz.
Sie spielen. Der Duc zählt. Das Spiel ist zu Ende. Seine Majestät zählt aufmerksam, lächelt und trinkt. Der Duc läßt eine Karte verschwinden.
»C‘est à vous à faire« sagt Seine Majestät und hebt ab. Seine Gnaden verbeugen sich, geben und erheben sich en présentant le Roi.
Seine Majestät sieht verdrießlich aus.
Wäre Alexander nicht Alexander gewesen, so hätte er Diogenes sein mögen; der Duc versicherte beim Abschiednehmen seinem Partner, »que s‘il n‘eut été De l‘Omelette, il n‘aurait point d‘objection d‘être le Diable.«
Der entwendete Brief
Nil sapientiae odiosus acumine nimio.
Seneca
Es war in Paris an einem stürmischen Herbstabend des Jahres 18 .. Ich saß im dritten Stockwerk des Hauses Nr. 33 der Rue Donot, Faubourg St. Germain, in dem nach hinten gelegenen Bibliothekzimmerchen bei meinem Freund August Dupin und gab mich dem zwiefachen Genuß des Nachdenkens und einer Meerschaumpfeife hin. Seit mindestens einer Stunde hatten wir beide kein Wort gesprochen. Ein zufälliger Beobachter hätte sicherlich geglaubt, wir seien einzig und allein damit beschäftigt, die kräuselnden Rauchwolken zu verfolgen, die in dichten Schwaden das Zimmer füllten. Indessen, was mich betraf, so sann ich dem Gesprächsstoff nach, mit dem wir uns zu einer früheren Stunde desselben Abends eifrig befaßt hatten; ich meine die Affäre aus der Rue Morgue und den geheimnisvollen Mordfall der Marie Rogêt. Es erschien mir daher als ein wunderbares Zusammentreffen, daß sich die Tür unseres Zimmers plötzlich öffnete und unser alter Bekannter, Herr G., der Polizeipräfekt von Paris, eintrat.
Wir begrüßten ihn herzlich; denn wenn wir den Mann auch nicht eben achteten, so war er andrerseits doch unterhaltend, und wir hatten ihn seit Jahren nicht gesehen. Wir hatten im Dunkeln gesessen, und Dupin erhob sich nun, um die Lampe anzuzünden; er unterließ es jedoch, und setzte sich wieder, als G. sagte, er sei gekommen, uns um Rat zu fragen oder vielmehr die Meinung meines Freundes zu hören in einer Amtsangelegenheit, die ihm schon viel Beschwer gemacht habe.
»Wenn es eine Sache ist, die Nachdenken erfordert«, bemerkte Dupin, indem er mit Anzünden des Dochtes innehielt, »so ist es besser, wir prüfen sie im Dunkeln.«
»Wieder so eine Ihrer sonderbaren Ansichten!« sagte der Präfekt, der alles »sonderbar« nannte, was über sein Begriffsvermögen hinausging, und sich daher von einer Legion von »Sonderbarkeiten« umgeben sah.
»Sehr wahr«, sagte Dupin, während er seinem Besuch eine Pfeife reichte und einen bequemen Sessel hinschob.
»Und um was für Schwierigkeiten handelt es sich diesmal?« fragte ich. »Hoffentlich nicht wieder eine Mordgeschichte?«
»O nein; nichts dergleichen. In der Tat – die Sache ist an sich sehr einfach, und ich bezweifle nicht, daß wir ganz gut allein damit fertig werden könnten; aber dann dachte ich, der Fall würde Dupin
Weitere Kostenlose Bücher