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Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Titel: Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Steimle
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Uwes Schulweg und andere verwunderliche Geschichten
    Vorbereitet durch Kinderkrippe und Kindergarten, erstürmte ich am 01. 09. 1970 den 1. Gipfel der Kultur, die Polytechnische Oberschule in Dresden-Trachau.
    Und das ging nur in Keilhosen. Wenn ich irgendetwas überhaupt nicht mochte, dann waren es diese gottverdammten Silastikkeilhosen. »Wieso, die sind doch praktisch«, flötete und lockte meine Mutter. »Erstens sind sie von Tante Fine aus dem Westen«, das hieß, Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland hatten schon mal diese Fischgrätenmusterkeilhosen getragen. »Und zweitens?«, bohrte ich. »Darfst du sie abtragen.« Abtragen! Von Anfang an also trieb der Westen einen Keil zwischen mich und meine Hosen. Darunter musste man dann im Winter auch noch lange Unterhosen anziehen, ebenfalls am unteren Ende zum Keil gefaltet. Eine Tortur Sondershausen ! Da ich in diesen jungen Jahren auch noch über Schweißfüße verfügte, waren die vom Vater ausgehändigten Armeesocken vorschriftsmäßig zu pudern. Natürlich mittels Elasan-Puderdose. Meistens aber waren die Plastesieblöcher der rosa Handdose verstopft, sodass sich ungeheure Mengen des Antischweißpuders in die Socken ergossen, weil irgendjemand die Verschlusskappe entfernt hatte, unerlaubt!
    Wenn alles knapp war in der DDR – Schweißpuder war es nicht. Oder war es am Ende gar kein Schweißpuder, was da in der Elasan-Puderdose war, sondern Keimstopp?
    Jedenfalls hatte ich Anfang der 70-ger des Öfteren das Gefühl, ich würde zur Schule schweben. Ja, auf einem Schweißpuderfußbett !
    Nicht zu vergessen die Einlagen, die ich ebenfalls noch an die Füße zu bringen hatte. Dazu muss man wissen, dass fast alle Sachsen in jungen Jahren ein kurzes und ein langes Bein haben, was dann für unegale Füße sorgt: obligatorisch. Und diese galt es mit Einlagen zu bändigen.
    Zu den abtragungswürdigen Sachen aus dem Westen gehörten auch ein Paar Seehundschuhe, die an meinen Füßen eher wie zwei große Igel aussahen und mit denen ich weniger zur Schule ging … als vielmehr robbte. Damals waren diese Seehundschuhe der letzte Schrei.
    Seit der so genannten Wende 89 weiß ich einen Begriff der westdeutschen Propaganda wirklich zu schätzen und genau zu deuten: »Beinfreiheit«.
    Wer weiß, was aus mir alles hätte werden können, hätten meine Eltern mich nicht um diese Beinfreiheit betrogen. Aber Schwamm drüber! Hinterher ist man immer klüger, und der Weg war das Ziel, und das hieß Schule.
    Auf Seehundschweißpuderfußbettschuhen robbte ich durchs Gausgässel, vorbei am Laternenanzünder. »Wie bitte ?«, werden jetzt hoffentlich viele aufmerksame Leser fragen. »Laternenanzünder?« Aber ja, das war sogar ein Beruf ! Ein Mann mit einer am oberen Ende leicht gebogenen Stange fuhr auf dem Fahrrad und machte die Gaslaternen entweder an oder aus. Ein Artist war das! Jeden Morgen gab dieser Laternenanzünder mir zu Ehren eine Extravorstellung. Bestimmt kam er gerade von der Nachtvorstellung aus dem Zirkus, denn was ich da jeden Morgen geboten bekam, war Artistik der Spitzenklasse. Der Mann stieg ja nicht mal ab von seinem Diamantdrahtesel. Einem Lanzenkämpfer gleich näherte er sich zielstrebig den alten Dresdner Gasfunzeln, und schwuppdiwupp hakte er den Ring der Glühstrümpfe ein und aus, und er traf diesen immer. Wie er das Zauberkunststück fertigbrachte, ohne den Ring zu verfehlen, ohne im Ring zu
verkeilen oder gar zu stürzen, blieb sein Geheimnis. Wie gesagt : ein Zauberer … von Ost.
    »Was hab’ ich doch für ein großes Glück, in so einer Stadt leben zu dürfen«, dachte ich nicht ohne Stolz. Wie reich musste Dresden sein!
    Wo sonst können Kinder Zirkusartisten als Laternenanzünder bewundern?
    Und was das für ein Licht war! Ich taufte es später das »Dresdner Gaslaternenfunzellicht«. Weich, unendlich weich war das, und man konnte das Licht hören. Ja, ganz weich rauschte das Gas über die Glühstrümpfe und tauchte Dresden in ein zärtlich-freundliches Quittenlicht. Die Stadt träumte eigentlich immer vor sich hin.
    Manchmal war es schon taghell, und die Laternen brannten immer noch, vielleicht weil der Artist verschlafen hatte? Laternenanzünder, das wollte ich später auch einmal werden, ein Artist sein und Licht in das Dunkel bringen.
    Zunächst aber hieß es die Schule besuchen. »Besuchen«, das klang, als würde ich zu einem guten Freund gehen.
    Die Schuleinführung bestritt ich jedenfalls mit einer Lincoln-Schleife. »Die tragen sonst

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