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Egeland, Tom

Titel: Egeland, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frevel
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Büro sieht genauso aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Überfüllte Regale. Mahagonischreibtisch. Braune Pappkartons und durchsichtige Plastiktüten mit Artefakten. Ein Globus. Dort, wo früher einmal das Monstrum einer Remington-Schreibmaschine gestanden hat, prangt jetzt ein modischer iMac.
    » Meine Höhle «, sagt er etwas peinlich berührt.
    Durch das Fenster hat er einen Blick in den Apfelgarten und hinüber zum Nachbarn, der sich mit einem Grinsen über Asthmatiker und Treibhauseffekt hinwegsetzt und einen Haufen Laub in ein Feuer wirft.
    Direktor Viestad zieht einen hohen Lehnstuhl mit Drachenmotiven heran, auf dem ich Platz nehme. Er selbst setzt sich hinter den Schreibtisch.
    » Sie wissen sicher, warum ich hier bin «, sage ich.
    Ich sehe ihm an, dass ich Recht habe. Direktor Viestad war noch nie ein guter Schauspieler. Dafür hält man ihn aber für einen guten, populären Institutsleiter. Er ist ordentlich, verantwortungsbewusst, loyal. Und er respektiert die Studenten.
    » Wo haben Sie den Schrein versteckt, Bjørn? «
    » Was wissen Sie darüber? «
    » Praktisch nichts. «
    Ich mustere ihn.
    » Das stimmt. Nichts «, wiederholt er.
    » Warum fragen Sie dann danach? «
    » Sie haben ihn aus dem Büro Ihres Vaters gestohlen. «
    Er hat Professor Arntzen immer als meinen Vater bezeichnet, obgleich ich ihn gebeten habe, das zu unterlassen.
    » Die Frage, wer diesen Gegenstand gestohlen hat, ist alles andere als geklärt «, sage ich.
    Er lehnt den Kopf zurück. » Bjørn, Sie müssen ihn zurückgeben. «
    » Außerdem ist er nicht mein Vater. «
    Seine Augen bekommen einen müden Ausdruck. » Cognac? «, fragt er.
    » Ich bin mit dem Auto da. «
    Er holt eine Flasche Apfelsaft und ein Glas, schenkt mir ein und geht wieder zurück zu seinem Stuhl. Viestad lehnt sich zurück und massiert die Augenwinkel mit den Fingerspitzen. Er hebt das Cognacglas in meine Richtung. Wir prosten uns zu.
    » Als ich neu auf der Universität war «, sagte er, » habe ich schnell gelernt, dass man sich gegen gewisse Dinge nicht wehren kann. Windmühlen, wissen Sie. Akademische Kräfte und Wahrheiten. Wissenschaftliche Dogmen. Ich musste das nicht verstehen, und es musste mir auch nicht gefallen. Aber ich musste erkennen, dass gewisse Dinge größer waren als ich selbst. Größer als man überhaupt ahnt. «
    Ich bin unsicher, auf was er hinauswill.
    » Glauben Sie an Gott? «, fragt er.
    » Nein. «
    Die Antwort scheint ihn zu treffen. » Egal. Sie können sicher verstehen, dass die Christen an Gott glauben, ohne seine Allmächtigkeit überhaupt zu begreifen. «
    Das Gespräch hat eine Richtung genommen, die mich verwirrt. » Versuchen Sie mir zu sagen, dass das Ganze etwas mit dem Mythos The Shrine of Sacred Secrets zu tun hat –oder mit Q? «, frage ich.
    Die Frage wirkt auf ihn wie ein Stromstoß ins Hirn. Er richtet sich im Stuhl auf. » Hören Sie mir zu «, sagt er, » diese Geschichte ist nicht so einfach, wie Sie glauben. Haben Sie jemals ein Puzzle mit fünftausend Teilen zusammengesetzt? Mit dem Bild eines Waldes oder einer Burg oder blauem Himmel? Zum jetzigen Zeitpunkt wissen Sie gerade mal genug, um drei Steinchen zusammenzufügen. Aber es fehlen noch 4997 Teile, bis Sie das Ganze erkennen und sich einen Überblick verschaffen können. «
    Ich starre ihn an. Meine rot schimmernden Augen haben manchmal eine schwach hypnotisierende Wirkung, die andere dazu verleitet, mehr zu sagen, als sie eigentlich sagen wollten.
    Er fährt fort: » Ja, der alte Mythos über den Heiligenschrein ist ein Teil des Gesamtbildes. Und ja, das Oktogon ist ebenfalls ein Teil des Ganzen. «
    » Welches Ganzen? «
    » Das weiß ich nicht. «
    » Man hat bei mir eingebrochen. Wussten Sie das auch nicht? «
    » Nein, das wusste ich nicht. Aber der Schrein ist wichtig für sie, das müssen Sie verstehen. Wichtiger, als Sie es sich vorstellen können. «
    » Ich frage mich nur, warum. «
    » Das kann ich Ihnen nicht sagen. «
    » Weil Sie es nicht wissen? Oder weil Sie es nicht wissen wollen? «
    » Beides, Bjørn. Das bisschen, was ich weiß, habe ich geschworen, für mich zu behalten. «
    Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er einen Eid sehr ernst nimmt.
    Draußen verstummt irgendwo in der Nachbarschaft ein elektrischer Rasenmäher. Erst jetzt, da der Lärm verebbt , werde ich darauf aufmerksam. Sofort beginnt die Stille, den Raum zu erfüllen.
    » Aber ich kann Ihnen sagen «, fährt er fort, » dass Sie den Schrein abliefern

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