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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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kaum glauben, dass seine engstirnige Jagd auf modische Mädchen wie Marlene Schibelsky, die wussten, wie man sich anziehen, das Gesicht anmalen und die Haare schneiden musste, gerade völlig ad absurdum geführt worden war.
    Nie im Leben hatte er etwas so unbedingt ficken wollen.
    »Herr Loeser«, sagte sie. »Kennen Sie mich noch?«
    Er rang um Fassung. »Adele Hitler! Aber natürlich. Du siehst … richtig hübsch aus.«
    »Danke. Sie sind auch schneidiger geworden, wie ich sehe. Kennen Sie hier viele Leute?«
    »Zu viele.«
    »Stimmt es, dass Brecht noch kommt?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Ich würde ihn so gern kennenlernen.«
    »Du wärst enttäuscht. Du würdest ihn sofort durchschauen.«
    »Wie können Sie sich da so sicher sein?«
    »Aus unseren vielen Stunden über Schiller kenne ich noch deinen scharfen, kritischen Blick.« Das war frei erfunden. »Es sei denn, diese eifersüchtigen Schweizer Matronen hätten ihn dir ganz ausgebrannt.«
    Adele lächelte. »Unterrichten Sie noch, Herr Loeser?«
    »Du darfst jetzt Egon zu mir sagen. Und nein, ich unterrichte nicht mehr. Ich bin am Theater.«
    »Oh, wie aufregend, ich hatte schon immer so ein Gefühl, Sie könnten Dramatiker werden! Ich möchte unbedingt ein paar Schriftsteller kennenlernen. Sie sind mein erster. Sind Sie noch waghalsiger als Brecht?«
    Es gab fast keine Komponente seiner Selbstachtung, die Loeser nicht gelegentlich bereit war, in die Pfandleihe zu geben, aber eine Regel hatte er: Er verleugnete sich nicht, um anderen zu gefallen. Das war niemand wert. Die Welt sollte ihn nehmen, wie er war. Und so hatte er, obwohl es ganz einfach gewesen wäre, mit Adeles Annahme mitzuswingen, keine andere Wahl und musste sie berichtigen. »Nein, Schriftsteller bin ich nicht. Ich bin Bühnenbildner.«
    »So eine Art Zimmermann?«
    Loeser wollte ihr gerade erklären, wie grundlegend seine Arbeit für die Konzeption von Lavicini war, als er hinter seinem Kopf etwas klicken hörte. Er blickte sich um. Dort stand Rackenham mit seiner Leica. Wieder eine Unterbrechung, aber diesmal war sie ihm recht: Es war gut, wenn Adele glaubte, er sei von weltmännischen Kollegen umgeben.
    »Oh, ich konnte mich ja gar nicht in Pose werfen«, sagte Adele und fuhr sich verspätet durch den Pony.
    »Ich glaube nicht, dass man eine unvorteilhafte Aufnahme von Ihnen schießen könnte, meine Liebe«, sagte Rackenham.
    »Mit dieser speziellen Kamera bestimmt nicht«, sagte Loeser monoton.
    »Warum stellen Sie mich nicht vor, Egon?«
    »Fräulein Hitler, dies ist Herr Rackenham. Ein höchst reputierlicher junger Romancier.«
    »Ein echter Schriftsteller! Wie heißt Ihr Buch?«
    »Mein neuestes heißt Schroffe Lüfte «, sagte Rackenham.
    »Oh, von dem habe ich noch nie gehört. Ich lese leider nicht viel englische Literatur.«
    »Das muss Ihnen nicht peinlich sein. Es ist sehr weise von Ihnen. Die englische Literatur ist tot. Es ist illoyal von mir, das zu sagen, weil ich mit so vielen ihrer strahlendsten Hoffnungsträger auf der Universität war, aber sie ist tot.«
    »Wen soll ich dann lesen?«
    »Die Amerikaner. Einer meiner Kritikerfreunde sagt, sich zwischen englischer und amerikanischer Literatur entscheiden, das ist wie die Entscheidung, ob man lieber mit einer Leiche zu Abend isst oder mit einem Baby Cocktails trinkt; aber das Baby hat wenigstens noch ein Leben vor sich.«
    »Ich liebe amerikanische Bücher«, sagte Adele.
    Loeser las gerade Berlin Alexanderplatz von Alfred Döblin. Leider war er nach siebzehn Monaten erst auf Seite 189. Achleitner, der sich das Buch am gleichen Tag gekauft hatte, steckte im letzten Viertel von Seite 12 fest. »Diese Verliebtheit in die Yankees kann ich nicht dulden«, sagte Loeser. »Rackenham, Sie sind genauso schlimm wie Ziesel da drüben in seinem neuen Anzug.«
    »Das könnte er gehört haben«, sagte Rackenham.
    »Das hoffe ich doch. Wenn Sie die amerikanische Kultur verstehen wollen, dann sehen Sie sich die neuen Rolltreppen im Kaufhaus des Westens an der Tauentzienstraße an. Made in America . So viele offensichtlich gesunde Erwachsene, die Schlange stehen, um stillstehen zu dürfen, haben Sie noch nie gesehen.«
    »Was ist mit dem Jazz?«, sagte Adele.
    »Jazz ist Kastrationsmusik für Fabrikarbeiter. Diese Kapelle hier spielt am richtigen Ort, aber sie ist zu spät eingetroffen.«
    »Es muss doch etwas Amerikanisches geben, das Ihnen gefällt.«
    »Nichts.«
    »Nichts?«
    »Nichts.«
    Das war gelogen, aber es kam ihm gar nicht so vor,

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