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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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trug eine Schutzbrille aus Seekuhbein mit pornografischen Gravuren auf dem Nasensteg, und als er den Kopf auf die rechte Seite legte, was bei den Troodoniern Nein bedeutete, blitzte in den getönten Brillengläsern die Nachmittagssonne auf. »Von den Tempeln rate ich ab.«
    »Warum?«, dachte Mordechai.
    »Zitteraale«, dachte der Gondoliere. »So große Zitteraale haben Sie noch nie gesehen. Ein Schlag, und Sie sind Asche. Wenn ich lüge, soll mir die Spalte zuwachsen.« Zur Betonung zirpte er den Schwur laut heraus.
    »Wir bieten Ihnen was. Ich habe Manna.«
    »Mir egal. Ich bringe Sie nicht in diese Wasser. Ich achte das Leben, das Gott mir gegeben hat.«
    Also schlug Mordechai den Gondoliere bewusstlos und klaute ihm das Boot.
    Beim Paddeln hielt er die türkise Oberfläche der Lagune im Blick, weil er wusste, dass die Zitteraale ab und zu stümperhaft zum Luftholen auftauchen mussten. Als Soldat im Osten hatte er dem Tod öfter ins Auge gesehen, als er zählen konnte, Angst hatte er also nicht, aber er wollte sich nicht überraschen lassen. Von Zeit zu Zeit ließ er seinen Schwanz zum Abkühlen durchs Wasser gleiten und begoss sich die Schnauze, dann plusterte er das Halsgefieder auf, damit es nicht zu stark mit Salz verkrustete. In der Ferne stießen die mit Ranken bewachsenen weißen Dächer der Tempel durch ihre Eihaut aus Hitzeflimmern wie ein Brustkorb, der halb aus einem Gezeitentümpel ragt, und zu seiner Linken sah er die Flussmündungen des Festlands, die Hänge weich mit Litschibäumen bestanden. Vor vielen Oktaeriden, bevor der Halbfisch des Dagon Ry ū jin gekommen war, als die Troodonier noch Muße gehabt hatten, ihre Welt zu erforschen, hatten in den Dörfern an diesen Gestaden Archäologen und Stückeschreiber gelebt und waren täglich hinabgetaucht zu den versunkenen Siedlungen der Affen. Aber jetzt waren sie alle fort, weshalb die Zitteraale sich in der Lagune so bedrohlich hatten ausbreiten können, ungestört von Jägern und Fallenstellern.
    Wie alle Troodonier, von ein paar Tausend ekelhaften Häretikern abgesehen, die zum Dagon Ry ū jin übergelaufen waren, wusste Mordechai, dass die Zeit nur ein einziger Augenblick war – dass nur Gott das Privileg besaß, ihn zu dehnen, und seine Schöpfung nichts als eine winzige Klauenspitze war – dass alles, was auf das Gegenteil hinzudeuten schien, nichts als eine Art stereoskopisches Trugbild war. Und so rang er wie alle Troodonier mit dem Paradox, wie es sein konnte, dass Gott jetzt, in den Zeiten des Halbfisches, von ihnen verlangte zu kämpfen, während er in den Zeiten des Affen von ihnen verlangt hatte, sich zu geschrumpften Vierfüßlern zu ducken, wenn diese beiden Zeitalter doch nicht nur gleichwertig waren, sondern sich auch gleichzeitig ereigneten. Und doch wusste Mordechai, dass Gott nun von ihnen verlangte zu kämpfen und dass er wollte, dass sie siegten. Und deshalb hatte er, Mordechai, seine Genossen verlassen und war quer über den ganzen Kontinent an diese Lagune gewandert. Was ihre Oberen auch sagen mochten, die Troodonier verloren den Krieg, und wenn sie den Halbfisch wieder zurück ins Meer treiben wollten, dann brauchten sie eine direkte göttliche Einmischung oder irgendeine unglaubliche Wunderwaffe. Da er sich auf Ersteres nicht verlassen wollte, war er zu diesen Tempeln gekommen, um nach Letzterem zu suchen. Sehr schlau waren die Affen nicht gewesen, aber kämpfen, das hatten sie gekonnt. Vielleicht gab es hier etwas in den Ruinen Vergessenes, die zufällige Hinterlassenschaft einer untergegangenen Spezies, der niemand nachtrauerte. Die Chancen standen lächerlich schlecht. Aber er musste es versuchen, weil niemand sonst es tat. Darüber grübelte er nach, als sein Boot zum Kentern gebracht wurde wie eine alte Nussschale.
    Er stürzte ins Wasser, schlug mit den Armen um sich, Blasen strömten aus seiner Schnauze, weil er zu überrascht war, um den Atem anzuhalten, und jetzt starrte Mordechai dem Aal einen Moment lang ins monströse rechte Auge. Der größte Teil seines Leibes war dunkelgrau, aber der Bauch war orange marmoriert wie die Schuppen an Mordechais Fußgelenken. Mordechai setzte zu einem Gebet an und wusste, dass er es nicht würde zu Ende bringen können.
    Nur, dass er es irgendwie doch zu Ende brachte. Er schlug die Augen auf und lebte noch.
    Und dann wurde ihm klar, dass er für dieses Tier vielleicht weder Bedrohung noch Beute darstellte. Der Aal würde sich nicht die Mühe machen, seinen Stromschlag

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