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Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort

Titel: Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beauman Ned
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aber er hatte auch so einen langen roten Mantel an, wie Brecht ihn immer trägt.«
    »Warum dann der Aufruhr am Einlass?«
    »Er hatte einen Korkenzieher dabei.«
    »Dann kann ich Adele ja wieder bei Rackenham abholen.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ich habe sie bei ihm geparkt, damit sie Brecht nicht auffällt. Er war sehr hilfsbereit.«
    »Ganz schön mutig«, sagte Achleitner.
    »Mutig?«, sagte Loeser. In der Nähe hörte er, wie überraschend einer dieser allgemeinen Lachanfälle aufflackerte, die sich in zufälligen Abständen durch Partys ziehen wie das Knacken von feuchtem Holz im Kamin.
    »Er ist sehr charmant.«
    »Ja, aber er wird sie doch wohl kaum selber anbaggern, oder? Er ist schwul. Der ideale Anstandswauwau.«
    Achleitner legte den Kopf schief. »Nicht so ganz.«
    Wieder grub ein monströser Gedanke Loeser seine Zähne ins Hirn und ließ den vorherigen monströsen Gedanken aussehen wie ein schnuffiges, knuffiges Kuscheltier. »Wie meinst du das?«
    »Jeder weiß doch, dass diese britischen Public-School-Boys alle wie Rasierklingen sind. Zweischneidig.«
    »Aber du hast doch gesagt, er sei schwul.«
    »Nein, Egon. Ich habe nur gesagt, dass ich ihn gefickt habe. Das ist nicht dasselbe.«
    »Du spielst Spielchen mit mir.«
    »Nein.«
    »Doch, bestimmt.«
    »Nein.«
    »Doch, bestimmt, sonst bringe ich nämlich erst dich um und dann mich selber.«
    »Ich fürchte, das ist kein Spielchen.«
    Loeser hechtete in Richtung Tanzfläche los, aber Adele und Rackenham waren nirgends zu sehen. Er packte Hildkraut am Kragen, der aussah, als trauerte er um den Verlust seines Korkenziehermonopols. »Hast du das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren und den großen Augen gesehen?«, brüllte er, um die Musik zu übertönen. »Sie war mit einem Engländer in einer Weste unterwegs.«
    »Die kleine Dünne? Die aussieht wie zwölf?«, sagte Hildkraut.
    »Ja, wahrscheinlich«, sagte Loeser. Dass andere Adele nicht so anziehend finden könnten wie er, war ihm noch nicht in den Sinn gekommen.
    »Die waren hier, aber jetzt sind sie weg.«
    »Wo sind sie hin?«
    »Na ja, sie haben ein bisschen gekokst, nicht sehr heimlich …«
    »Er hat ihr Koks gegeben?«
    »Ja. Und dann sind sie, glaube ich, durch den Hintereingang raus.«
    »Scheiße!«
    Draußen war niemand, nur Klein, der systematisch in eine umgedrehte Korsettform aus Kupfer reiherte. Loeser raste an ihm vorüber und hinaus auf die Straße, aber sie war verlassen, also lief er zurück auf die Party und fragte sich, ob Hildkraut sich vielleicht geirrt hatte und die beiden gar nicht gegangen waren.
    Wie ein treuer alter Butler, der schon still und leise Vorbereitungen trifft, die Antikmöbel zu versteigern und den französischen Koch zu entlassen, ein paar Wochen bevor sein Herr und Meister sich überhaupt zu fragen beginnt, ob die ganze Aufregung um die Börse seine Erlöse vielleicht ein wenig geschmälert haben könnte, hatte ein minderer Hirnlappen in Loesers Kopf längst akzeptiert, dass es Rackenham sein würde, der heute Nacht Adele fickte, und nicht er, und dieser Lappen bereitete sich schon auf den Augenblick vor, an dem die weiter entwickelten Hirnregionen nicht anders konnten, als dies ebenfalls anzuerkennen. Bis dahin jedoch würde Loeser einfach weiter hin und her laufen, in Schränken suchen, über Tanzende stolpern, möglichen Zeugen wirre Fragen stellen, sich optimistische Ausreden ausdenken (vielleicht hatte sie plötzlich auf störende Weise ihre Tage bekommen!) und sich ganz allgemein so benehmen, als könnte sich das, was nun offensichtlich stimmte, doch noch irgendwie als unwahr erweisen. Am Ende jedoch, nach einem panischen, würdelosen und durchschaubaren Zwölf-Minuten-Crescendo der Verzweiflung verließ Loeser schließlich alle Hoffnung, als hätte er noch den letzten Kredit restlos ausgeschöpft. »Diese nichtswürdige Fotze!«, jaulte er und stampfte dabei auf. Er merkte, dass er nichts zu trinken hatte, und im gleichen Augenblick sah er Gobulew seine Flasche schwarzgebrannten Wodka abstellen, um sich eine Zigarette anzuzünden, also packte er sie und kippte so viel davon hinunter, wie er konnte, bis der Schnaps ihm über das Kinn zu laufen begann. Dann verschwand er torkelnd wieder in der Menge, fort von der Tanzfläche.
    Was nun? Das Wichtigste war, sich nicht damit aufzuhalten. Es gab Alternativen. Er konnte einfach nach Hause gehen, wo, welche Stunde die Uhr auch schlug, immer Mitternacht in der Schwesternschule war. Aber dieses eine

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