Egon Loesers erstaunlicher Mechanismus zur beinahe augenblicklichen Beforderung eines Menschen von Ort zu Ort
Du solltest mal meine Frau treffen, von der kannst du was lernen.«
Heijenhoort stand auf und legte sich den Schal um. »Ich hatte keine andere Wahl, Loeser. Das verstehst du nicht. Du warst nicht dabei.«
»Ach, Hans, nun bleib doch! Wir haben uns fünfzehn Jahre nicht gesehen!« Ich wusste, dass er nicht das Selbstbewusstsein besaß zu gehen, nachdem ich ihn gebeten hatte zu bleiben. Und er setzte sich auch tatsächlich gleich wieder hin. »Wie bist du aus Deutschland rausgekommen?«, fragte ich.
»Im April vor Kriegsende haben sie das Labor geräumt. Wir haben uns dann in den Bergen versteckt. Wir wurden nicht mehr bewacht, aber wir hatten schreckliche Angst, dass die SS uns alle erschießen würde, damit die anderen uns nicht bekamen. Die Russen wären die zweitschlimmste Lösung gewesen. Die hätten uns vielleicht direkt nach Moskau geschickt und gefoltert. Die Briten oder Franzosen wären in Ordnung gewesen. Aber dann waren es die Amerikaner. Sie haben uns ein gutes Rührei gemacht. Dann haben sie uns ein paar Wochen in eine Kaserne gesperrt und dann in ein Flugzeug nach Boston gesetzt, und dort in ein Flugzeug nach New Mexico.«
»Und jetzt arbeitest du für das Außenministerium?«
»Ja.«
Ich fragte mich, wie anders ich wohl Amerika erlebt hätte, wenn meine ersten Jahre hier bis in die letzte Einzelheit von irgendeiner Regierungsstelle organisiert worden wären – und dann malte ich mir in einer Art Spielzeug-Theodizee aus, was für unergründliche Ziele so eine Stelle hätte verfolgen müssen, um mir meine ersten Jahre so einzurichten, wie sie tatsächlich verlaufen sind. »Musst du für Cordell Hull viel H. P. Lovecraft lesen?«, fragte ich.
»Wer ist denn H. P. Lovecraft? Jedenfalls, nein, Hull ist nicht mehr dabei. Er ist vor ein paar Jahren zurückgetreten. Sarkoidose.«
»Und was machst du für sie?«
»Tut mir leid, Loeser, aber das darf ich nicht sagen, du wirst das sicher verstehen.«
»Wahrscheinlich so was Ähnliches wie früher für das Artillerieamt«, sagte ich. »Deshalb bist du für sie wertvoll. Aber was hatte das Artillerieamt mit theoretischer Physik am Hut? Hat es was mit der Atombombe zu tun?«
»Nein.«
»Womit dann? Soll ich etwa raten? Das wird nichts. Ich war ein paar Jahre am Caltech, aber vom Stand der Technik habe ich keine Ahnung. Abgesehen von Gespenstern und Robotern und diesem Knaben mit der Maschine, die Aal-Congee aus Zitteraalen macht, mit dem Strom von den Zitteraalen, ging es damals immer nur um …« Ich beugte mich vor. »O mein Gott. Teleportation. Du hast an Teleportation gearbeitet, oder? Die Nazis wollten die Teleportation zur Kriegswaffe entwickeln.«
Diesmal wich Heijenhoort meinem Blick nicht aus. »Ja, Loeser. Ganz genau. Und wir waren gar nicht so schlecht. Was glaubst du, warum die Russen behauptet haben, Hitlers sterbliche Überreste seien eingeäschert und vergraben worden?«
»Um Himmels willen, willst du mir etwa sagen, Hitler habe sich selbst aus dem Bunker teleportiert?«, kreischte ich. »Dann lebt er also noch?« Von den Nachbartischen warf man uns verwirrte Blicke zu.
»Ja, Loeser. Das ist das welterschütternde Geheimnis, das ich dir hier im Coffee Shop verrate.«
»Soll das etwa Sarkasmus sein?«
Heijenhoort stand wieder auf. »Entschuldige, Loeser, aber ich muss jetzt los.«
»Wo hast du denn Sarkasmus gelernt?«
»So was passiert eben im Krieg.«
»He, hör mal, in New Mexico haben sie dir bestimmt viele Geheimnisse verraten, oder?«, sagte ich.
»Eigentlich nicht. Wir sind noch immer Deutsche.«
»Aber wissen sie, was aus Bailey geworden ist?«
Heijenhoort nickte und legte einen Vierteldollar für den Kaffee auf den Tisch. »Sie haben seinen Apparat am Caltech ausgebaut und fast ein Jahr lang untersucht.«
»Und?«
»Auf Wiedersehen, Loeser. Man sieht sich.«
»Komm schon, das musst du mir sagen! Hat Drabsfarben ihn aus der Kammer gerettet, oder hat er sich wirklich in den Pazifik teleportiert?«
»Das ist nicht so, wie du denkst.«
»Aber ich habe dir gar nicht gesagt, was ich denke. Heijenhoort, halt! Komm zurück!«
Aber er war fort. Und ich werde ihn wohl nie wiedersehen. Hoffentlich macht dem Stenografen die Zeichensetzung im Dialog nicht zu viele Schwierigkeiten. Darf ich jetzt meine Erklärung verlesen?
DER VORSITZENDE : Noch nicht.
DER CHEFERMITTLER : Wann haben Sie den wahren Grund Ihrer Vorladung nach Washington erfahren?
MR LOESER : Als ich mit der Packung Strümpfe wieder im Shoreham war, ging ich
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