Egorepublik Deutschland: Wie uns die Totengräber Europas in den Abgrund reißen (German Edition)
Kommandeur der in Nordafrika stationierten Land- und Luftstreitkräfte, General Giraud, als auch der Oberbefehlshaber der Marine, Admiral Darlan am Flottenstützpunkt Toulon, entschlossen sich zum Abwarten, indem sie es zunächst vermieden, offen von Vichy abzufallen. Monnet hingegen, der seit Kriegsbeginn an der Spitze einer gemeinsamen englisch-französischen Beraterkommission für militärische Beschaffungen stand, schlug sich – trotz seines Widerwillens gegen die nahezu egomanischen Eigenheiten des Generals – ohne Verzug auf die Seite de Gaulles.
Ein eigenes Buch wäre erforderlich, wollte man schildern, wie tiefgehend und umfassend die Spannungen waren, die sich fortan zwischen den beiden französischen Gruppen in London und in Algier, aber auch zwischen dem eigenwilligen General und seinen angloamerikanischen Alliierten entwickelten. Oft genug stand die Situation am Rande eines politischen und militärischen Desasters. Ohne die Sachkenntnis von Jean Monnet, seine engmaschigen persönlichen Beziehungen zu den französischen Kontrahenten ebenso wie auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans, vor allem aber ohne sein diplomatisches Genie wäre es zweifellos mehr als einmal zu ernsthaften politischen Katastrophen gekommen. Ihren Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen im Jahr 1943, als Roosevelt versuchte, de Gaulle, der ihm persönlich zutiefst zuwider war, das Heft aus der Hand zu nehmen. Zu diesem Zweck übte seine Regierung massiven Druck auf die französischen Partner unter dem General Giraud aus (Admiral Darlan war zuvor unter recht mysteriösen Umständen ermordet worden), um sie zu bewegen, sich nicht nur von ihrer Bindung an die Vichy-Regierung loszusagen, sondern bei dieser Gelegenheit auch mit Sitz in Algier eine neue, gegenüber dem störrischen General de Gaulle autarke Exilregierung zu bilden. Dahinter verbarg sich allerdings wohl noch mehr als nur die Abneigung des Präsidenten gegenüber de Gaulle: Vieles spricht dafür, dass Roosevelt eine europäische Nachkriegsordnung vorschwebte, die unweigerlich auf den Widerstand eines wiederbelebten und auf seine Vorrangstellung pochenden französischen Selbstbewusstseins stoßen musste.
Jean Monnet erschien offensichtlich nicht nur den Amerikanern, sondern auch ihren britischen Verbündeten als geeigneter Vermittler gegenüber den rivalisierenden französischen Partnern. Erstmals nach dem militärischen Zusammenbruch tauchte er jetzt in Algier auf. Giraud sah wohl anfänglich in ihm den Schlüssel für die dringend erhoffte zusätzliche Ausstattung mit schweren Waffen und die Aufstockung der unter seinem Kommando stehenden französischen Divisionen. Er sollte sich irren: Entgegen der traditionellen Geringschätzung eines Militärs gegenüber den Zivilisten handelte es sich bei dem Neuankömmling nicht um einen engstirnigen kleinen Kaufmann, sondern um einen mit allen Wassern gewaschenen Politiker und Diplomaten, der genau wusste, was er wollte.
Das Machtpoker der beiden französischen Kontrahenten interessierte Monnet nur in zweiter Linie. Vorrangig ging es ihm um die Zusammenführung seiner zerstrittenen Landsleute. Zweifellos war das ein gefährliches Spiel mit durchaus offenem Ausgang. Denn gegenüber standen sich die selbsternannte Exilregierung in London mit ihrem Vorsitzenden de Gaulle, der sich selbst – ohne nennenswerte militärische Macht im Rücken – als personifizierte Verkörperung seines glorreichen Landes verstand und als solcher von den Widerstandskämpfern der Résistance als ihr unbestrittener Führer anerkannt wurde, und Giraud mit seinen Gefolgsleuten in Algier, die wenigstens über einen Rest von eigenem militärischem Potenzial verfügten und sich zudem der deutlichen Unterstützung aus Washington erfreuen konnten. Belegt ist, dass Roosevelt damals seinem englischen Partner Winston Churchill vorschlug, mit de Gaulle zu brechen, und dass von englischer Seite Jean Monnet nachgesagt wurde, dieser sei sich nicht ganz sicher, ob es sich bei de Gaulle um einen Demagogen, einen Irren oder beides zusammen handle (dieselbe Quelle gibt allerdings auch freimütig zu, der General habe sich deswegen allseits so unbeliebt gemacht, weil er bestrebt gewesen sei, rechtzeitig einer Bevormundung Europas durch die beiden englischsprechenden Länder vorzubeugen).
Die Konferenz im nahen marokkanischen Casablanca, auf der Roosevelt und Churchill Anfang 1943 die »bedingungslose Kapitulation« der Nazis und ihrer Vasallen zu ihrem
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