Ehe auf krummen Beinen
kräuselt sich über der Flamme.»
«Die Tragik des Künstlers», sprach Otmar, «liegt darin, daß er sein Leben lang von Leuten beurteilt wird, die weniger Kunstverstand haben als er. Ich leide sehr darunter.»
«Gib uns das Bild», sagte Eva. «Wir hängen es auf und lassen die Leute raten.»
«Was will man von einem Weibe anderes erwarten», sagte Otmar. «Noch dazu von einer Fotografin! Ihr Auge ist die Linse,
ihr Herz der Entwickler! Schändliches Gewerbe!»
«Ärgere dich nicht», erwiderte Dan. «Natürlich sieht man, daß es ein Dackel ist. Es sind alle Dackel der Welt zusammen. Wenn du einen Schnaps hättest, würde ich es noch besser sehen.»
Otmar zog die Flasche aus einem Pinselfutteral. Dann tranken sie, bis die Farbe trocken war, denn es war die Nacht zum Freitag, und das Wochenende hatte begonnen.
Es war unser letztes ohne Arbeit, und wir ruhten noch einmal gründlich aus. Am Montag begann der Ernst des Lebens.
Dan stand früh auf, machte eine dienstliche Miene und nahm die Thermosflasche mit. Als er weg war, räumte Eva ihre Dunkelkammer zurecht, malte sich ein Kundendienstgesicht an und stellte ihren Apparat auf. Drei Leute hatten sich für den Vormittag angemeldet. Ich kroch mit im Aufnahmeraum herum, um ihnen das Lächeln zu erleichtern.
Als erste erschien eine Dame von beträchtlichem Lebendgewicht. Sie roch nach Geld, tat vornehm und sagte «abnehmen» statt fotografieren. Es wäre allerdings besser gewesen, wenn sie selbst abgenommen hätte, ehe sie sich fotografieren ließ. Aber das war nicht unsere Sache. Daran sollte ihr Arzt verdienen.
Eva bugsierte sie in den Stuhl vor die weißgrauen Wände und versicherte ihr, sie sähe fabelhaft aus. Kaum wiederzuerkennen seit dem letzten Mal.
«Wirklich?» fragte die Dame. Sie sah mich an, und ich nickte mit dem Kopf, obwohl ich wußte, daß es eine faustdicke Lüge war.
Eva betrachtete sie mit ernstem Kennerblick und rückte ihr Gesicht hin und her. Dann kroch sie mit dem Kopf unter ein schwarzes Tuch und in den Apparat hinein. Ich mußte daran denken, daß sie es damals genauso gemacht hatte, als Dan und ich zum erstenmal dagewesen waren und angefangen hatten, uns in ihr Herz einzuschleichen.
Die Dame fragte: «Nehmen Sie mich en faze oder en profiich?»
Eva blieb ernst.
«Ich glaube, en faze ist besser. Ihr Gesicht kommt viel eindrucksvoller. Es wäre schade, auf eine Hälfte davon zu verzichten.»
Mir schien es völlig gleichgültig, wie man sie nähme. Sie war von allen Seiten gleich dick. Es war nur die Frage, wie man das größte Format herausschinden könnte, und deswegen nahm Eva sie wohl auch en faze statt en profiich.
... aber wie, bitteschön, riecht jemand, der nach Geld riecht? Nach frischen Banknoten oder nach alten Geldbörsen? Gibt es Unterschiede zwischen Dollar und Lire, oder riechen alle Reichen gleich? Riecht es dezent oder stinkt es zum Himmel? (Aber es olet ja nicht, wie schon jener römische Bedürfniskaiser bemerkte!)
Und wie kommt's, daß man manche, die nach Geld riechen, nicht mehr riechen kann? Vielleicht ist's mit dem Gelde wie mit dem Knoblauch: Nur dem stinkt's, der selbst nicht in den Genuß gekommen ist.
Nun mußte die Dame lächeln, und das brachte sie in Schweiß. Man sah, daß sie ungeübt war und wenig lächelte, wie alle Leute mit viel Geld. Bei uns wurde mehr gelacht.
Schließlich schaffte Eva es, die Dame mit Lächeln en faze zu nehmen. Der Verschluß klickte, und eine Stunde war uns im Fluge vergangen. Am Mittwoch wären die Bilder fertig. Aber selbstverständlich, gnä' Frau, Sie können sich darauf verlassen.
Dann schritt sie en faze zur Tür hinaus, und wir blickten erschöpft hinter ihr her.
Die nächste war eine junge Frau mit einem Säugling. Ich fürchtete Schlimmes, aber er war fröhlich und friedlich. Ohne jedes Theater ließ er sich sein blaues Wollwams ausziehen, legte sich bäuchlings auf den Tisch mit dem Lammfell und grinste in die Linse. Dann sah er mich und fing an zu krähen und streckte einen Arm aus. Eva knipste ein paarmal, fertig waren wir. Zur Belohnung griff Eva mich am Kragen und hielt mich dicht vor ihn hin. Ich blieb still hängen, während er vor meiner Nase herumfuchtelte. Es roch nach Kinderpuder.
Dann zog ihn die Mama wieder an. Aber plötzlich war es mit seiner Fröhlichkeit zu Ende, er fing an zu brüllen. Gleichzeitig begann es anders zu riechen, nicht mehr nach Kinderpuder. Die neuen Hosen waren voll. «Das macht die Aufregung», sagte die Mutti.
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